Postnatale Depression – Onlinetherapie mit Selfapy

MUM, Wohlfühlen

Silvia Silko

Nach der Diagnose einer psychischen Erkrankung warten Menschen in Deutschland teilweise bis zu sechs Monaten, ehe sie einen Therapieplatz bekommen. Ein Missstand, den Selfapy ändern will. "Wir wollen einen nachhaltigen Wandel!" wissen die jungen Unternehmerinnen hinter dem Startup. Kati Bermbach ist eine von ihnen. Wir sprechen mit ihr über die Plattform.

Besonders in der aktuellen Coronakrise kann die App eine erste Anlaufstelle darstellen. Sich Hilfe zu holen, ist unter den aktuellen Bedingungen noch erschwerter.

Eigeninitiaive ist bei der Therapie wichtig

„Stell dir mal vor, du hast ein gebrochenes Bein und musst ein halbes Jahr darauf warten, dass du behandelt wirst. Das wäre natürlich völlig undenkbar! Bei psychischen Erkrankungen ist das aber leider normal.“ erzählt Kati Bermbach. Die Psychologin und ihre Kommilitonin Nora Blum empfinden schon während ihres Studium die Missstände in Deutschland als untragbar. Wenn jemand psychische Hilfe braucht, sollte er sie auch so schnell wie möglich – und häufig auch nötig – erhalten. Die beiden jungen Frauen werden aktiv und gründen „Selfapy“. Der Name des Start-ups ist ein Zusammenschluss der englischen Begriffe „self“ und „therapy“. Hier steckt schon im Namen, was auch zum Konzept des Unternehmens gehört: „Eine gewisse Eigenintiative ist für den Erfolg unserer Kurse total wichtig!“

Hilfe zur Selbsthilfe gegen postnatale Depression?

Bei Selfapy handelt es sich um ein Online-Angebot. Über die Homepage kann man sich anonym einloggen und ein erstes unverbindliches Gespräch mit einem Psychologen führen. Danach kann der oder die Betroffene entscheiden, ob sie oder er das Angebot eines Kurses machen möchte. Ein Kurs geht 9 Wochen lang und kostet 149 Euro. Der Kursteilnehmer bekommt Informationen, Videos und Aufgaben, die er selbstständig durcharbeiten muss. Einmal pro Woche werden die Ergebnisse dieser Arbeit gemeinsam mit einem Psychologen am Telefon oder per Skype ausgewertet. Hier unterscheidet sich Selfapy von einer Therapie: „Therapien sind ja mehr wie Frontalunterricht. Die Kurse von Selfapy sind viel agiler.“ Derzeit bietet Selfapy Kurse zu Themen wie Depression, Burnout, Panik, Phobie und Angststörungen an.

Erste Hilfe per Telefon

Kati ist eine der Günderinnen von Selfapy

Kati ist eine der drei Günderinnen von Selfapy

Selfapy sitzt in Berlin. Im Büro des Start-ups sind an jedem Tag der Woche Psychologen zu erreichen. So kann jeder, der schnell Hilfe und ein Gespräch braucht, jemanden erreichen. Insbesondere in der aktuellen Coronakrise eine dankbare Hilfe.  „Das sieht ein bisschen aus wie in einem Callcenter. Wir möchten aber gerne, dass die Psychologen hier im Büro die Gespräche führen. Es ist immer eine Supervisorin dabei, die auch helfen oder eingreifen kann, falls es mal einen Notfall gibt.“ An den Telefonen sitzen Psychologen und Psychologinnen nach dem Studium, die noch die Therapieausbildung vor sich haben. Es sind also studierte Fachleute. Kati warnt vor sogenannten „Lifecoaches“ ohne Ausbildung: „Man darf nicht vergessen, dass die Menschen sich in einer Notsituation befinden und Hilfe brauchen. Das bedeutet, dass diejenigen, die sich mit ihnen auseinandersetzen eine gewisse Verantwortung haben. Wir haben deshalb nicht nur unsere ausgebildeten Mitarbeiter, sondern haben auch mit der Uni Hamburg zusammengearbeitet und unsere Kurse auswerten lassen.“ Die Uni Hamburg hat genau hingeschaut, inwiefern Selfapy funktioniert. Die Ergebnisse waren durchweg positiv. Auch ein Grund, warum immer mehr angebotene Kurse von Krankenkassen übernommen werden.

Postnataler Depression darf kein Tabuthema sein

Ein Schlagwort, dass zuletzt verstärkt durch die Medien ging ist „Postnatale Depression“. Stars wie Adele oder Hayden Panettiere bekannten sich öffentlich dazu, nach der Geburt ihres Kindes in eine Depression gefallen zu sein. „Depressionen nach einer Geburt sind ganz häufig. Durch die Hormone aber auch ganz viele andere Faktoren des Alltags kann es passieren, dass Mütter sich überfordert fühlen oder Schuldgefühle haben, weil sie vielleicht denken, sie würden ihr Kind nicht genug lieben.“ Kati erzählt, dass häufig auch die Partner oder Ehemänner bei Selfapy anrufen, weil die Frauen sich nicht immer trauen, ihre Gefühle zuzugeben. Vor allem in diesen Fällen ist Selfapy hilfreich: Mütter müssen mit ihrer Postnatalen Depression nicht erst sechs Monate lange alleine klar kommen, bis sie Hilfe erhalten. Dennoch soll Selfapy keine Therapien ersetzen. „Wir sind uns bewusst, dass Therapien wichtig sind. Wir wollen auch gar kein Ersatz sein, sondern eben eine Brücke zwischen Diagnose und Therapie und so dem Menschen helfen.“

 

Titelbild: unsplash.com/ Artem Kovalev

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