Karriere-Plattform für Mütter: Erfolgreich zurück in den Job
Belastbar, flexibel, hochmotiviert, emotional intelligent – das sind nur einige Eigenschaften, die Mütter zu bieten haben. Den Wiedereinstieg in den Job zu erleichtern und Mütter aktiv zu supporten ist das Ziel der Karriere-Plattform Mom Hunting. Wir haben mit Gründerin Virginia Thrun gesprochen.
Der Wiedereinstieg nach der Elternzeit ins Berufsleben ist nicht immer einfach, auch die Karrierechancen sind für viele Frauen nach der Babypause eingeschränkt. Um nicht in die typische Teilzeitfalle zu tappen wollen viele Mütter Vollzeit arbeiten, doch oft fehlt es an passenden Jobangeboten und vor allem an Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas forderte kürzlich bessere Rahmenbedingungen für Frauen im Berufsleben, um deren Erwerbstätigkeit zu stärken. „Arbeitgeber müssen die Arbeitswelt so organisieren, dass mehr Mütter in Vollzeit arbeiten können“, sagte die SPD-Politikerin der „Bild am Sonntag“.
„Mom Hunting“, die Karriere-Plattform für Mütter, setzt ganz gezielt hier an. Sie bringt Arbeitgeber mit Arbeitnehmerinnen zusammen die Kinder haben. Denn die Gründerinnen sind davon überzeugt, dass gerade Mütter ganz besondere Fähigkeiten mitbringen von denen auch Unternehmen profitieren können.
Wir wollten von Gründerin Virginia Thrun wissen, wie sie hochqualifizierte Frauen vermittelt, warum sie gerade hier Potenzial sieht und was in Sachen Vereinbarkeit bei Firmen besser laufen könnte.

Liebe Virginia Thrun, du hast 2022 mit deiner langjährigen Freundin Nadine Schneider die Karriere-Plattform „Mom Hunting“ gegründet. Kannst du kurz erklären, was dahinter steckt?
Virginia Thrun: Mom Hunting ist eine Diversity Recruiting Plattform, auf der sich vorab qualifizierte, vereinbarkeitsfreundliche Unternehmen bei hochqualifizierten Müttern bewerben können. Das bedeutet auch, dass wir hier Recruiting – insbesondere in dieser Zielgruppe – komplett neu gestalten: Career Moms sind für uns Talente mit besonderem „High Potential“, um die auf unserer Talent Plattform geworben werden darf. Zudem beraten wir unsere Unternehmenskund:innen dabei, wie sie Vereinbarkeit als Erfolgsfaktor im Bereich Attraction und Retention integrieren können, um erfolgreich und zukunftsfähig zu sein und nachhaltig zu bleiben.

Wie ist die Idee oder der Wunsch entstanden, Frauen bzw. Mütter stärker sichtbar zu machen und zu vernetzen? Gab es für dich ein Schlüsselerlebnis, oder war es vielmehr ein Prozess?
Beides! Es waren mehrere Schlüsselerlebnisse, wie z.B. das Verschwinden von unfassbar vielen Frauen in meinem Umfeld aus dem Arbeitsmarkt, sobald sie Familie gegründet haben. Zudem kam mit meiner persönlichen Familiengründung die Feststellung, dass wir gefühlt noch in anno 1800 sind, was das Thema Chancengleichheit von Frauen und Männern angeht. Unsere klassischen Karrieremodelle sind für Männer ohne jegliche Care-Verantwortung im Leben gemacht. Inzwischen machen wir Frauen jedoch fünfzig Prozent der Bevölkerung aus und die Zahl der hochqualifzierten Frauen steigt immens an. Im Prozess haben diese gesammelten Schlüsselerlebnisse und Erkenntnisse dann zu der Vision geführt, Mütter in der Arbeitswelt sichtbarer zu machen. Im nächsten Schritt folgte aus der Idee das Übersetzen in ein tragbares Geschäftsmodell.
Du bist Mutter zweier Kinder. Wann hast du bemerkt, dass die konservative Arbeitswelt nicht mehr zu dir passt?
Das war ein langjähriger Prozess mit vielen unterschiedlichen Puzzleteilen, die sich gefügt haben. Aber entscheidend war die Erkenntnis, dass ich mit meiner täglichen Erwerbsarbeit einen größeren Impact schaffen möchte und dies in meiner Corporate Rolle so nicht möglich gewesen wäre. Ich möchte meinen Beitrag dazu leisten, dass Frauen insgesamt sichtbarer werden in der Arbeitswelt und die Karrierelücke zwischen Frauen und Männern geschlossen wird. Das ist ein gesellschaftlich und politisch hoch relevantes Thema und ich trete jeden Tag mit sehr viel Passion dafür an. So sehr ich zu seiner Zeit meinen Corporate Job, das Umfeld und meine Erfahrungen geschätzt habe und es auch heute noch tue: Heute so eine große Mission gemeinsam mit dem gesamten Team vorantreiben zu dürfen, ist ein komplett anderer Purpose, der mich täglich antreibt und in keiner Weise vergleichbar mit meiner alten Rolle im Konzernumfeld. Dahin musste ich aber erstmal reifen und das brauchte eine gewisse Zeit.

Warum sind Mütter tolle Arbeitnehmerinnen, welche wichtigen Fähigkeiten bringen sie mit?
Mütter erlangen durch ihre Zeit im „Family CEO Bootcamp“ ein wichtiges Up-skilling, welches deckungsgleich ist mit den zukunftsrelevanten Fähigkeiten der digitalen und sich schnell wandelnden Arbeitswelt. Das sind u.a. Transformationskompetenz, Emotionale Intelligenz, Agilität, Flexibilität und Lernfähigkeit. Die Arbeitswelt der Zukunft wird sich sehr viel stärker darauf fokussieren, wie schnell jemand Neues lernen kann und will statt – wie bisher vorrangig im Fokus – was bisher an Expertise aufgebaut wurde. Mütter sind Quick Learner, haben den Blick für das Wesentliche und meistens ein stark ausgeprägtes Growth Mindset. Dadurch bringen sie das volle Paket für erfolgreiche Team-Konstellationen sowie New Leadership mit.
Obwohl inzwischen immer mehr Unternehmen auf flexible Arbeitszeiten, Homeoffice und Büros mit Kinderbetreuung setzen, halten sich gerade in Deutschland noch oft alte patriarchale Strukturen. Was glaubst du, woran liegt das?
Es ist definitiv bequemer, ein „Mini-Me“ einzustellen, also jemanden, der ist, wie man selbst, was der von der AllBright-Stiftung beschriebene „Christian-Kreislauf“ bestätigt (Anm. d. Red.: es beschreibt die Tatsache, dass es mehr Männer mit dem Vornamen Christian in deutschen Vorständen gibt als Frauen insgesamt). Wir initiieren mit Mom Hunting deshalb ganz offiziell den „Sophia-Kreislauf“ als Gegenbewegung. (Gender)-Diversität kann anstrengend sein und hat auch mit Machtverlust zu tun, was in stark patriarchalen Strukturen nicht wirklich gewünscht ist. Die Herren müssen sich auf einmal mit Themen und Bedürfnissen auseinandersetzen, die sie lieber ignorieren würden. Der nachweislich höhere Geschäftserfolg von diversen Teams, sowie die damit zusammenhängenden Quoten scheinen jedoch mehr Tempo reinzubringen. Das ist eine gute und wichtige Entwicklung!
Du setzt auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Frauen, die sich auf der Karriere-Plattform registrieren, können genau angeben, wie viel, wo und wie sie arbeiten möchten. Wie gut funktioniert das?
Es war uns vor Anfang an wichtig, so viel Transparenz wie möglich in den Recruitingprozess zu bringen. Zeit, Ort und Geld sind sehr entscheidende Faktoren und sollten beidseitig direkt am Anfang geklärt werden. Alles andere wäre aus unserer Sicht höchst unprofessionell. Wir haben deshalb unsere Plattform technisch so entwickelt, dass im ersten Schritt die Persönlichkeit sowie nur relevante Fähigkeiten der Career Moms von unseren Unternehmenskund:innen ersichtlich sind.
Unsere Career Moms können, wie auf einer Dating Plattform, selbst entscheiden, wann und für wen sie ihr Profil sichtbar schalten und ihre Identität preisgeben wollen. Dafür bekommen wir sehr viel positives Feedback, weil beidseitig schnell entschieden werden kann, inwieweit es ein Match ist oder halt nicht. Wir sind jetzt bei über 3000 registrierten, top-qualifizierten Müttern mit täglichen Neuregistrierungen und haben vor einigen Monaten angefangen, diese mit den passenden Vakanzen unserer Unternehmenskund:innen zu matchen. Wir merken, dass wir mit steigender Größe des Talent Pools und der Unternehmenskund:innen immer mehr Matches erzielen und konnten in den letzten Wochen einige Führungspositionen erfolgreich besetzen. Mit diesem Ergebnis sind wir sehr zufrieden und blicken zuversichtlich in die Zukunft.
Stichwort Gender Pay Gap: Die Lücke zwischen den Gehältern von Männern und Frauen besteht nach wie vor, von der kostenlosen Care Arbeit ganz zu schweigen. Bemerkst du dennoch eine Veränderung, werden Mütter inzwischen besser bezahlt?
Wir bemerken definitiv, dass aufgrund des Fachkräftemangels bei dem richtigen Talent eine größere Bereitschaft besteht, auch ein höheres Gehalt als geplant zu zahlen. Was wir zudem bemerken – und was wir aus tiefster Überzeugung feiern – ist, dass immer mehr Frauen sich trauen, einen fairen Preis für ihre Leistung zu fordern. Wir kommunizieren deshalb ebenfalls transparent die Gehaltsvorstellungen unserer Talente und konnten diese bisher für sie auch realisieren.

Was würdest du dir von Unternehmen wünschen, wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Karriere geht?
Ich würde mir sehr viel mehr Mut und Commitment von einigen Entscheider:innen wünschen. Vor allem macht sich dies nicht in Worten, sondern in Taten und Budget bemerkbar. Da sehen wir teilweise noch sehr große Lücken. Zudem brauchen wir mehr mutige Führungskräfte, die entscheiden, wer letzten Endes eingestellt wird. Ohne diesen Mut kann sich eine Recruitingabteilung viel überlegen… Zudem brauchen wir sehr viel mehr Kreativität in Bezug auf Benefits für mehr Vereinbarkeit. Wir werden den Markt hier regelmäßig aus und teilen dieses Wissen mit unseren Unternehmenskund:innen.
Würdest du sagen, dass die Selbstständigkeit und das Gründen für dich der richtige Schritt waren? Dazu gehört Mut, sehr viel Einsatz und auch eine gewisse (finanzielle) Unsicherheit. Wer hat dich unterstützt?
Gründen mit etwa 40 Jahren, aus einem gut bezahlten Job kommend, ist ein riesiger Schritt und der Preis ist hoch. Das sollte man sich ganz genau überlegen und auch im Vorfeld ausrechnen, inwieweit man das finanzieren kann. Ich kann für mich sagen, dass ich ohne die Unterstützung meines Mannes auf mentaler aber auch finanzieller Ebene die letzten Jahre mit Mom Hunting so nicht hätte wuppen können. Zudem hatte ich viel Unterstützung auf unterschiedlichen Ebenen, etwa bei der Kinderbetreuung, durch meine Mutter oder Schwiegermutter aber auch immer wieder von anderen Eltern, mit denen ich mir zum Beispiel das „Elterntaxi“ zum Sport geteilt habe. Das hat mir unternehmerisch den Mindspace und zeitlich den notwendigen Freiraum gegeben, den ich für Events und die Weiterentwicklung des Unternehmens gebraucht habe.
Ihr beide seid Freundinnen seit Kindertagen. Du hast Kinder, Nadine bewusst keine. Ergänzt sich das in eurer Arbeit? Wie eng seid ihr miteinander?
Wir kennen uns seit unserer Kindheit und haben somit eine sehr enge Bindung. Zu behaupten, diese unterschiedlichen Lebensmodelle sorgen an der einen oder anderen Stelle nicht auch mal für Reibung, wäre gelogen. Trotzdem haben wir es bisher immer geschafft, das jeweils freiwillig gewählte Modell der Anderen zu respektieren. Und wir haben auch sehr viel voneinander gelernt!
Was ist deine Vision, dein Wunsch für die Zukunft?
Unsere Mission ist es, die Karrierelücke zwischen Frauen und Männern zu schließen. Mein Wunsch wäre es, dass es eine Plattform wie Mom Hunting gar nicht mehr geben müsste. Dann wäre mein Ziel erreicht!

Mom Hunting ist eine Online-Karriereplattform für Mütter, die 2022 von Virginia Thrun und Nadine Schneider gegründet wurde. Die beiden Gründerinnen setzen sich für die Sichtbarkeit von Müttern in der Berufswelt ein und vernetzen Frauen und Unternehmen. Die beiden leben in Hamburg. Weitere Infos unter momhunting.com
Bildquelle: Getty, privat
Dieser Artikel erschien erstmals in Ausgabe 64
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