Mental Load beginnt vor dem ersten Kind – 5 Strategien für (werdende) Mütter
Mental Load beginnt oft lange vor dem ersten Kind – mit all den Fragen, Planungen und Unsicherheiten im Kopf. Diese 5 Strategien helfen (werdenden) Müttern, mentale Überlastung früh zu erkennen und nachhaltig zu reduzieren.
Noch ist das Baby nicht da, aber dein Kopf ist längst voller Gedanken? Ob es die Kliniktasche ist, der Geburtsvorbereitungskurs oder die Frage, wie sich dein Leben als Mutter verändern wird – Mental Load beginnt oft schon in der Schwangerschaft. Und wenn das Kind erst da ist, wird aus dem gedanklichen Karussell schnell eine endlose To-do-Liste, die niemand sieht, die du aber jeden Tag im Kopf hast.
Außerdem ist kaum eine Frau ernsthaft darauf vorbereitet, dass sie sich mit der Geburt des ersten Kindes plötzlich in traditionellen Geschlechterrollen wiederfindet. Hier erfährst du, wie du den Mental Load schon vor der Geburt verhindern kannst und welche einfachen und alltagstauglichen Strategien es gibt, um dich vor der Überlastung zu schützen.
1. Vor der Schwangerschaft: Klare Vorstellungen gegen späteren Mental Load entwickeln
Die Ursachen für Mental Load und Überforderung bei Müttern sind vielfältig. Doch eine der Hauptursachen sind traditionelle Rollenbilder, die uns bewusst oder unbewusst prägen. Dahinter verstecken sich nicht nur Ansprüche, die wir selbst an uns haben, sondern auch welche Idealbilder die Gesellschaft an uns heranträgt. Denn obwohl drei Viertel der Deutschen nicht glauben, dass es die wichtigste Aufgabe der Frau sei, sich um Haushalt und Familie zu kümmern (die Zahl stammt von 2017), ist es faktisch immer noch so, dass Frauen im Schnitt täglich doppelt so viel unbezahlte Care-Arbeit leisten wie Männer.
Strategie gegen den Mental Load
Mach dir mit deinem Partner Gedanken über die Fragen: Wie stellen wir uns Familie vor? Welche Rollenbilder haben uns geprägt oder prägen uns noch? Wie soll unsere eigene Familie aussehen, im Großen wie im Kleinen? Wie entkommen wir traditionellen Vorstellungen, wo sie uns und unserer Beziehung ganz bestimmt nicht guttun? Wie finden wir einen gemeinsamen Weg, der zu uns persönlich passt? Und vor allem auch: Wie wollen wir uns weiter selbst verwirklichen und dabei unsere gemeinsame Zukunft gestalten?
Tauscht eure Ideen aus, eure Wünsche – aber formuliert auch ganz klar eure Tabus. Jedes Gespräch, das ihr konstruktiv führt, bringt euch näher an eine gemeinsame, partnerschaftliche Umsetzung eurer Traumfamilie.

2. Schon in der Schwangerschaft: Aufgaben bewusst abgeben, Mental Load vorbeugen
Die gute Nachricht ist einfach umwerfend: Ein Baby ist unterwegs! Jetzt gibt es jede Menge zu bedenken und zu erledigen. Von Terminen beim Frauenarzt über Klinik- und Hebammensuche bis zur Erstausstattung für das Kleine… Die To-Do-Liste wird länger und länger. Vieles musst du als werdende Mutter erledigen, weil es deinen Körper betrifft. Aber eben nicht alles…
Strategie gegen den Mental Load
Teilt die Aufgaben rund um das freudige Ereignis von Anfang an auf. Das kann so aussehen, dass du die Hebammensuche übernimmst, dein Partner recherchiert die möglichen Geburtskliniken und vereinbart auch gleich die Besichtigungstermine. Außerdem sucht er einen passenden Kinderarzt und fragt nach, ob dieser noch neue Patienten aufnimmt. Du kümmerst dich um die Babyausstattung, er klärt alles mit dem Amt rund um den Antrag fürs Elterngeld.
Wichtig ist, die Aufgaben als ganze Projekte aufzuteilen, die eigenverantwortlich erledigt werden können. Nur dann ist es auch eine spürbare Entlastung für dich. Einmal die Woche kommt ihr zusammen zu einem Update und klärt Rückfragen. So habt ihr beide die Aufgabe bis dahin „aus dem Kopf“.
3. Karriere & Familie: Wie ihr Mental Load in der Elternzeit gerecht verteilt
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen tragen immer noch dazu bei, dass sich althergebrachte Geschlechterrollen festschreiben. Allen voran das Ehegattensplitting sorgt dafür, dass patriarchal geprägte gesellschaftliche Strukturen Bestand haben. Ehepartner können dank dieser Regelung ihre Einkommen zusammen versteuern lassen. In den meisten Fällen werden die Erwerbseinkommen erst addiert und dann halbiert. Da Männer oft besser bezahlt werden, entrichten sie mit diesem Modell häufig weniger Einkommenssteuer, bedingt durch eine bessere Steuerklasse – Frauen dagegen im Verhältnis mehr.
Die Folge: Frauen bleiben häufiger beim Baby zuhause und arbeiten später in Teilzeit. Die Bertelsmann Stiftung hat 2020 errechnet, dass Männer im Durchschnitt während ihres Arbeitslebens etwa 1,3 Millionen Euro an Erwerbseinkommen verdienen. Das durchschnittliche Lebenseinkommen von Frauen beträgt dagegen nur 750.000 Euro. Der Grund: Frauen sind lange Zeiträume ihres Erwerbslebens mit (unbezahlter) Sorgearbeit beschäftigt.

Strategie gegen den Mental Load
Klärt schon während der Schwangerschaft, wie ihr eure individuellen beruflichen Ziele und die Elternzeiten in Einklang bringen wollt und könnt. Wer geht wann in Elternzeit, wer arbeitet wann wie lange und wie lassen sich die Betreuungszeiten des Babys und später des Kleinkinds regeln? Wie wird ein partnerschaftlicher Ausgleich geschaffen (finanziell und zeitlich) zwischen Erbwerbs- und Carearbeit? Tipp: Lass dir von deiner Rentenkasse die Rentenlücke ausrechnen, die durch Mutterschaft, Erziehungszeiten und längere Teilzeitarbeit entstehen kann. Die Zahlen schwarz auf weiß zu sehen, ist für viele werdende Mütter ein Augenöffner.
Wichtig zu wissen: Wer nicht verheiratet ist kann Aufgabenverteilung, Unterhaltsfragen, Rentenausgleichszahlungen, Regelungen für gemeinsame Kinder und gegenseitige Unterhaltsansprüche in einem Partnerschaftsvertrag festhalten. Dieser ähnelt einem Ehevertrag, ohne die rechtliche Bindung einer Ehe zu haben. Sind Vermögenswerte wie z. B. eine Immobilie oder Erbschaften im Spiel, solltet ihr das Ganze unbedingt notariell beglaubigen lassen.
4. Nach der Geburt: Liebevolle Unterstützung im Wochenbett
Frauen werden nicht als Mütter „geboren“. Und „die Natur“ sorgt nach der Geburt eines Babys nicht automatisch dafür, dass Mütter alles intuitiv wissen über Säuglingspflege, Stilltechniken, Wickeln oder Dreimonatskoliken. Auch sie müssen in ihre neue Rolle erst hineinwachsen – und das braucht liebevolle Unterstützung und vor allem Zeit. Denn nach der Geburt sind die meisten Frauen erst einmal erschöpft und körperlich angeschlagen. Dazu kommt der Schlafmangel, der ganz entscheidend zu Stressphänomenen, Stillproblemen und in der Folge auch zu postnatalen Depressionen beitragen kann.
Das Wochenbett ist also eine entscheidende Phase für die physische und mentale Gesundheit. Studien haben aufgezeigt, dass es in Kulturkreisen in denen Mütter während dieser Zeit in direkter Nähe zu anderen Familienmitgliedern wohnen und von ihnen umsorgt werden, viel seltener zu Wochenbettdepressionen kommt. In Deutschland gibt es immer noch keinen gesetzlich geregelten, bezahlten Vaterschaftsurlaub (auch Familienstartzeit genannt), wie in Slowenien, Spanien oder Litauen. Und nur 43 Prozent aller Väter hierzulande nehmen überhaupt Elternzeit – die wenigsten davon in den ersten Wochen nach der Geburt.
Strategie gegen den Mental Load
Plant gemeinsam die ersten vier bis sechs Wochen nach der Geburt. Wer hilft euch in dieser Zeit? Wie lange kann der Vater sich freinehmen und dich aktiv unterstützen bei der Pflege und Betreuung des Säuglings? Wer kann für euch kochen, sauber machen, einkaufen? Gibt es Großeltern, die sich auch mal um das Baby kümmern und für zusätzliche Entlastung sorgen? Gibt es eine Hebamme, die ins Haus kommt und dich bei Stillproblemen, der Nabelpflege usw. berät?

5. Die erste Babyzeit: Care-Arbeit sichtbar machen und verteilen
Das Baby ist da, alles hat sich eingespielt und ihr drei seid inzwischen eine kleine Familie geworden. Auch jetzt solltet ihr weiterhin über die Aufteilung der täglichen Aufgaben im Austausch bleiben. Denn auch wenn du als Mutter erst einmal mit dem Baby zuhause bleibst, bist du nicht automatisch für alle Hausarbeiten und Co. zuständig.
Ein kleines Zahlenbeispiel zur Verdeutlichung: Eine Mutter kommt im ersten Jahr auf durchschnittlich 1800 Stunden in denen sie nur mit dem Stillen des Babys beschäftigt ist – die Zeit für die restliche Pflege des Säuglings ist noch nicht eingerechnet. Und nach der Elternzeit und dem Wiedereinstieg in den Job geht es ähnlich weiter: Das Institut für Wirtschaftsforschung hat errechnet, dass Mütter mit kleinen Kindern im Schnitt 14 Stunden pro Tag mit Erwerbs- und Care-Arbeit beschäftigt sind. Das sind allein – ohne die Wochenenden einzubeziehen – 70 Stunden.
Strategie gegen den Mental Load
Besprecht einmal die Woche, wie ihr die alltäglich anfallenden Aufgaben verteilen wollt. Wer macht den Kochplan und den dazugehörigen Wocheneinkauf? Wie teilt ihr euch auf bei der Suche nach einem passenden Kita-Platz? Wer übernimmt die nächste U-Untersuchung beim Kinderarzt? Wer macht was im Haushalt: putzen, Wäsche waschen …? Je partnerschaftlicher und wertschätzend sich das Miteinander gestaltet, desto geringer ist die Gefahr in die Mental Load Falle zu tappen.
Buchtipps zum Thema Mental Load
Wenn du mehr zum Thema Mental Load wissen willst, haben wir hier noch zwei Buchtipps für dich.

Patricia Cammarata informiert in ihrem Buch „Raus aus der Mental Load“ darüber, was Mental Load eigentlich ist, wie er entsteht, wie er entsteht und wie man sich davor schützen, bzw. wie man ihn eindämmen kann. Vor allem aber zeigt sie, wie man innerhalb einer Familie zu einer guten Aufgabenteilung findet. Ihr Buch „Musterbruch“ knüpft daran an und gibt viele lösungsorientierte Tipps für eine gleichberechtigte Partnerschaft.
Beide Bücher sind im Beltz Verlag erschienen und kosten ca. 20 Euro und 21 Euro.
Bildquelle: Getty