Von Care-Arbeit bis Selfcare: Erkenntnisse und Impulse vom LUNA Day 2025
Beim LUNA Day 2025 drehte sich alles um die großen Themen, die Familien heute bewegen: mentale Gesundheit, Gleichberechtigung, Selbstfürsorge und der Einfluss von Social Media. In spannenden Panels und Vorträgen diskutierten Mütter, Väter, Gründer:innen und Expert:innen über die Herausforderungen des modernen Familienlebens – von Care-Arbeit über digitale Überforderung bis hin zu körperlicher Gesundheit. Der Event machte deutlich: Familie ist im Wandel – und braucht mehr gesellschaftlichen Support.
Wie steht es um die Familiengesundheit? Was macht Familien resilient und wo sind Belastungen im Alltag? Diese Fragen standen im Zentrum des zweiten LUNA Day in Berlin. Rund 180 geladene Gäste, darunter Ärzt:innen, Forscher:innen, Autor:innen und Stimmen aus der Community, diskutierten über die Zukunft von Mental Health, Family Health und Wellbeing, Elternschaft und gesellschaftliche Rollenbildern.
Im Microsoft Atrium wurde beim LUNA Day ein Raum für Austausch, Reflexion vor allem aber für echte Lösungsansätze geschaffen. Themen wie der Gender Care Gap, Mental Load im Familienalltag, Medienkompetenz für Kinder oder die Rolle der Geburtsmedizin sorgten für lebhafte Diskussionen – aber auch für Inspiration, wie wir unser Miteinander in der Familie und Gesellschaft neu denken können.
Die ersten 100 Tage mit Baby – was Familien brauchen
Die Anfangszeit nach der Geburt ist ein Ausnahmezustand – körperlich, emotional und mental. Genau deshalb widmete sich ein zentrales Panel beim LUNA Day 2025 der Frage: Wie können junge Familien – insbesondere Mütter – in den ersten 100 Tagen nach der Geburt wirklich unterstützt werden?

In der Diskussionsrunde trafen geballte Expertise und persönliche Erfahrung aufeinander: Prof. Dr. Mandy Mangler, Chefärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe in Berlin, sprach offen über die strukturellen Herausforderungen rund um Geburt und Wochenbett. Hebamme Meike Campen brachte den Blick aus der Praxis mit, Mental-Health-Expertin Dominique de Marné, die sich aktuell als Ambassador für das Projekt von Dove für mehr Selbstwertgefühl einsetzt, erzählte berührend aus ihrer eigenen Zeit als frischgebackene Mutter und wie wichtig und willkommen Unterstützung von Freunden war.
Alle waren sich einig: Die ersten drei Monate nach der Geburt sind entscheidend – und gleichzeitig eine der verletzlichsten Phasen im Leben einer Familie. Neben Schlafmangel und Hormonumstellung kommt oft eine emotionale Achterbahnfahrt hinzu, die durch gesellschaftlichen Druck und unrealistische Erwartungen verstärkt wird. „Gerade in dieser sensiblen Phase braucht es kein Funktionieren, sondern ein starkes Umfeld“, betonte Meike Campen.

Mandy Mangler appellierte an eine frauenfreundlichere, partizipativere Geburtsmedizin. Ihre Botschaft: „Geburtshilfe ist politisch.“ Sie plädiert für mehr Aufklärung, niedrigschwellige Angebote, eine stärkere Einbindung der Partner:innen bei der Geburt – und für ein gesellschaftliches Umdenken: „Es braucht mehr Wertschätzung, mehr Wissen, mehr Ressourcen.“
Mum Bashing – So gehen Content Creator mit Kritik um
Wie geht man damit um, wenn man als Mutter in der Öffentlichkeit steht – und plötzlich zur Zielscheibe von Kommentaren und Kritik in den sozialen Medien wird? Darüber sprachen die Beauty-Gründerin Miriam Jacks, Designerin Marina Hoermannseder, Hebamme Zohre Ceylan und Mental Coach Issa Ismailat – moderiert von Ravi Walia.

„Marina, du bist kurz nach der Geburt deines Kindes als Gast-Jurorin bei ‚Germany’s Next Topmodel‘ aufgetreten und hast dafür viele böse Kommentare einstecken müssen. Erzähl‘ uns, wie es dazu kam und wie du darauf reagiert hast,“ wandte sich Ravi Walia an Designerin Marina Hoermannseder. Eigentlich habe sie eine Art Role Model für selbstbewusste Mütter sein wollen und fand es von sich selbst „unglaublich stark“, dass sie den Auftritt wie versprochen „durchgezogen“ habe. „Wenn ich etwas zusage, dann möchte ich das auch halten.“ Wie sehr sie die Aktion in die Kritik, vor allem von anderen Müttern gebracht habe, konnte sie nicht richtig nachvollziehen. Inzwischen mache sie sich aber locker, wenn es böse Kommentare gebe. „Ich verstehe aber auch, wenn Leute die in der Öffentlichkeit stehen die Kommentarfunktion abstellen.“

Miriam Jacks hat positive Erfahrungen damit gemacht, Leute auch direkt auf verletzende Kommentare anzusprechen. Oft könne sie damit die Situation klären oder sogar bereinigen. „Das hinterlässt dann bei beiden Seiten ein besseres Gefühl.“ Warum ausgerechnet Mütter die schärfsten Kritiker anderer Mütter seien, konnte sich Zohre Ceylan nicht erklären und plädierte für mehr Solidarität untereinander. Darum habe sie auch vor kurzem das Buch „Als Hebamme gegen die Müttermafia“ veröffentlicht. „Ich möchte anderen Müttern Mut machen, ihren eigenen Weg zu gehen und dazu zu stehen.“

Mental Coach Issa Ismailat riet, sich nicht sofort triggern zu lassen von negativen Kommentaren. Es gehe immer auch um das eigene Mindset. „Je überzeugter du bist von dem was du tust und wie du es tust, umso weniger angreifbar bist du.“
Sharenting – Kinder im Netz zeigen, ja oder lieber nicht?
In der nächsten Gesprächsrunde ging es um ein Thema, das viele Familien beschäftigt: Ist es okay, die eigenen Kinder im Netz zu zeigen?

Svenja Fuchs (@svenjafuxs) hat sich klar entschieden: „Ich würde ja auch nicht im Zug herumgehen und jedem ein Foto meines Kindes zeigen.“ Die Juristin Karolin Sannwald (@inf.law.lencer) hat daran erinnert, dass viele Eltern gar nicht wissen, dass WhatsApp erst ab 13 Jahren erlaubt ist – und auch dann nur mit Zustimmung der Eltern.
Randa Shilbayeh-Weiser (@randa_and_the_gang) hat verraten, warum sie ihre Kinder heute nicht mehr öffentlich zeigt: „Am Anfang haben wir das gemacht, aber es fühlt sich nicht mehr richtig an.“

Und KI-Experte Christian Jacks (@christian_jacks) hat erklärt, wie schnell sich die digitale Welt verändert: „Wir können nicht erwarten, dass Kinder das alles allein verstehen. Wir müssen ihnen den Umgang mit neuen Technologien beibringen.“ Alle waren sich einig, dass digitale Bildung fest im Schulalltag verankert werden muss.

Mental Load – ein wichtiger Faktor für die Gesundheit der Familie
In wenigen Tagen erscheint im Gräfe und Unzer Verlag das neue Buch von Wiebke Schenter (@piepmadame) – ein Titel, der schon beim Lesen hängen bleibt: „Ich liebe meine Kinder, aber …“ Darin erzählt die Autorin ehrlich und mit viel Herz von ihrem eigenen Weg als Mutter. Sie gibt wertvolle Tipps, teilt persönliche Erfahrungen und stellt auch mal unbequeme Fragen: Wie gelingt es, die eigene Identität zu bewahren, während man für andere da ist?

Ein Punkt, in dem sich alle Panelteilnehmer:innen einig waren: Der Gender Care Gap ist kein individuelles Problem – sondern politisch und strukturell. Und genau da müsse sich endlich etwas ändern. Autorin Evelyn Höllrigl-Tschaikner (@littlepaperplane) lebt vor, wie es anders geht. Von Anfang an teilt sie sich die Care-Arbeit mit ihrem Mann – für sie eine Selbstverständlichkeit. „Ich finde, das sollte ganz normal sein“, sagt sie. Doch in ihrem Umfeld stößt diese Haltung nicht immer auf Zustimmung.
Dabei zeigen Studien eindeutig: Wenn beide Eltern Verantwortung übernehmen, profitieren nicht nur Frauen – sondern ganze Familien. Gemeinsame Care-Arbeit entlastet, stärkt Partnerschaften und wirkt sich positiv auf die körperliche und mentale Gesundheit aus.

Auch Verena Herzog-Pohl hat in ihrer Familie eine klare Struktur geschaffen. „Bei uns weiß jeder genau, was zu tun ist – mein Mann genauso wie unsere Kinder“, erzählt sie. Aufgaben werden gemeinsam geplant, besprochen und sogar in einer Liste festgehalten. Denn sie weiß: Viele Mütter geraten in einen Burn-out, weil sie zu viel tragen – im Kopf und im Alltag. „Man ist ständig unter Strom und kommt gedanklich einfach nicht mehr zur Ruhe“, sagt sie. Genau deshalb gründete sie zusammen mit ihrer Mutter Dagmar Herzog-Bühler die Mental-Health-App Lumeus. Das Programm soll dabei helfen, Stress abzubauen und Resilienz zu stärken – durch positive Emotionen, die unter anderem über Musik geweckt werden.
Doch so hilfreich individuelle Strategien auch sind, braucht es laut Moderatorin Nicole Staudinger vor allem gesellschaftliche Veränderungen: „Wir müssen dahin kommen, dass Männer nicht länger Applaus bekommen, wenn sie in Elternzeit gehen. Es sollte einfach selbstverständlich sein.“
Mikrobiom – Kleines kann Großes bewirken
Neben mentaler Stärke spielte auch die körperliche Gesundheit eine wichtige Rolle beim LUNA Day.
Bruno Affentranger von der Curaden AG erklärte in seiner Keynote, warum das Mikrobiom im Mund so entscheidend für unsere Gesundheit ist: „Neue Studien zeigen, dass es Einfluss auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Alzheimer und Demenz hat.“

Zahnärztin Dr. Diana Kessler betonte die Bedeutung der Mundgesundheit in der Schwangerschaft: „Entzündungen im Mund sind wie eine offene Wunde. Sie müssen behandelt werden – gerade in dieser Zeit.“ Denn Störungen des Mikrobioms können sogar das Risiko einer Frühgeburt erhöhen.
Auch Dermatologin Dr. Tatjana Braun (@kinderhautdocs) sprach über das Mikrobiom der Haut: „Auf unserer Haut leben Millionen guter Bakterien – sie sind der beste Schutz.“ Ihr Tipp für Eltern: Weniger ist mehr. Zu viel Pflege kann das natürliche Gleichgewicht stören, besonders bei empfindlicher Kinderhaut, deren Schutzbarriere sich noch entwickelt.

Schönheit, Selfcare, Selbstbewusstsein – wie stark prägt uns Social Media?
Wie sehr uns soziale Medien beeinflussen, wenn es um unser Körperbild und Selbstbewusstsein geht – darüber sprach Journalistin und Autorin Rabea Weihser in ihrem Vortrag beim LUNA Day. Sie erklärte, wie die tägliche Flut an perfekt inszenierten Gesichtern unsere Wahrnehmung von Schönheit verändert – und was das mit unserer Psyche macht.

Gerade junge Menschen würden sich von den digital bearbeiteten Bildern stark beeinflussen lassen und sie als das vermeintlich „neue Normal“ anerkennen. Viele würde das nicht nur verunsichern, sondern auch den Druck auf ihre eigene Selbstoptimierung verstärken – oft bis hin zu chirurgischen Eingriffen.
Auch Dr. Anne Högemann, die an Schulen Kinder und Jugendliche zu Gesundheit und Sexualität aufklärt, beobachtet diesen Trend: „Das ständige Sichvergleichen in sozialen Medien verschiebt die Wahrnehmung junger Menschen massiv.“ Besonders wichtig sei deshalb die Vorbildfunktion der Eltern, deren positives Selbstbild die Kinder ebenso beeinflussen könne wie ein negatives Körperbild.
Ein positives Gegengewicht bietet Cornelia Dingendorf, Gründerin der Fitnessstudios Youpila, die Programme speziell für Frauen, Schwangere und Mütter entwickelt hat. „Bei uns sollen Frauen einfach sein dürfen – genau so, wie sie sind“, sagt sie. Ihre eigene Erfahrung nach der Geburt ihres Sohnes inspirierte sie, Räume zu schaffen, in denen Bewegung, Körpergefühl und mentale Stärke zusammengehören. „Schönheit hat so viele Facetten – und jede davon ist wertvoll“, betont sie.

Der LUNA Day hat gezeigt, wie vielfältig, stark und inspirierend moderne Familien sind. Zwischen Care-Arbeit, Social Media, Gesundheit und Selbstfürsorge wurde deutlich: Elternsein bedeutet heute mehr, als nur zu funktionieren – es heißt, sich immer wieder neu zu erfinden, loszulassen und auf das eigene Gefühl zu hören. Doch für wirklich nachhaltige Veränderungen, die die Familiengesundheit nachhaltig stärken, braucht es die Unterstützung von Gesellschaft und Politik.
Weiter Infos zum LUNA Day findet ihr hier.
Bildquelle: Markus Nass für lunamum