Akupunktur: So hilft sie gegen Schwangerschaftsbeschwerden
Akupunktur kann in der Schwangerschaft viele Beschwerden lindern und wird sogar in Geburtskliniken eingesetzt. Aber wie genau funktioniert das? Wir haben einen Facharzt befragt über die Anwendungsmöglichkeiten.
Herr Dr. Sun, was versteht man unter TCM (Traditionelle Chinesische Medizin)?
Dr. Sun: Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) gibt es laut den ersten schriftlichen Nachweisen bereits seit 5.000 Jahren. Die TCM hat sich auf Basis der Natur entwickelt und betrachtet den Menschen als ihren Mittelpunkt. Der Körper und die Seele des Menschen können von verschiedenen Störungsfaktoren beeinflusst werden. Dazu gehören geografische Unterschiede, also ob jemand im Norden oder im Süden lebt, die Intensität der Sonneneinstrahlung je nach Saison sowie verschiedene klimatische Besonderheiten wie Wind, Feuchtigkeit, Trockenheit, Hitze. Und natürlich spielt auch der psychologische und emotionale Einfluss auf den Menschen eine Rolle, also negativer Stress, Zorn, Angst, Traurigkeit, Sorgen.
Das Ziel in der TCM ist es, den Menschen durch verschiedene therapeutische sowie präventive Maßnahmen wieder in Einklang mit der Umwelt (kosmische Energie, Wetter, Gesellschaft, Arbeitskollegen, Nachbarn, Familie) und mit sich selbst (Körper und Seele) zu bringen.
Könnten Sie kurz beschreiben, woraus die Akupunkturtechnik besteht?
Aus energetischer Sicht ist der menschliche Körper eine Einheit. Durch die Akupunktur bestimmter Punkte kann der Energiefluss des gesamten Körpers reguliert werden.
Muss der Akupunkteur ein ausgebildeter Arzt sein und in welchen Fällen wird die Methode eingesetzt?
Akupunktur ist ein invasiver Eingriff, mit dem man sich gut auskennen muss. Die Behandlungen sollte also ein Arzt vornehmen, der sich durch sein Studium mit dem menschlichen Körper am besten auskennt. Erfahrung spielt zudem eine wichtige Rolle. Grob umrissen kann man sagen, dass Akupunktur bei verschiedenen Schmerzen, psychosomatischen Beschwerden und funktionellen Organstörungen angewandt wird.
Wie sieht eine Akupunktur-Sitzung aus? Was geschieht dabei?
Während einer Sitzung werden nur die Akupunkturnadeln gesetzt. Bei Bedarf findet zusätzlich die sogenannte Moxibution statt, also eine Erwärmung durch verschiedene Methoden. Es gibt je nach Körperregion unterschiedlich lange und verschieden dicke Nadeln. Da die Nadeln in den Körper gestochen werden, müssen sie natürlich steril sein.
Wir hören oft von Akupunktur als Heilmittel für gynäkologische Probleme. Warum ist das so?
Durch die gesellschaftliche Entwicklung können Menschen aus der Balance gebracht werden. Bei Frauen kann das unter anderem zu gynäkologischen Problemen führen, welche oft durch negativen Stress und Zorn bedingt sind oder einen psychosomatischen Ursprung haben, wie zum Beispiel (schmerzhafte) Zyklusstörungen oder auch Unfruchtbarkeit. Da diese Beschwerden gut mit Akupunktur behandelt werden können, ist es eine oft eingesetzte Therapie. Aber Akupunktur kann auch in der Schwangerschaft helfen, zum Beispiel bei Rückenschmerzen. Die geburtsvorbereitende Akupunktur hilft den werdenden Müttern, sich zu entspannen, und lindert ihre Ängste vor der Geburt.
Kann Akupunktur auch während der Entbindung eingesetzt werden?
Die meisten deutschen Krankenhäuser setzen Akupunktur als Unterstützung zur Entbindung ein, denn sie kann zum Beispiel die Eröffnungswehen maßgeblich verkürzen. Sie kann zudem ausbleibende Wehen auslösen oder den Wehenschmerz verringern. Auch Akupressur kann während der Geburt mit ähnlichen Ergebnissen angewandt werden.
Welches sind die typischen Körperbereiche, in denen die Nadeln während der Schwangerschaft eingesetzt werden und ist das schmerzhaft?
Das kommt drauf an, in welchem Stadium die angehende Mutter ist. Überwiegend werden Nadeln an den Extremitäten, im Kopf- und im Ohrenbereich eingesetzt. Der Schmerz hängt vom persönlichen Schmerzempfinden ab, allgemein sind die Männer dabei sehr viel empfindlicher als Frauen. Es gibt einem kleinen Pieks, viel schlimmer ist das nicht. In manchen Fällen macht man mit der Hand Akupressur (Tuina).
Wie viele Sitzungen empfehlen Sie, gerade in der Schwangerschaft?
Das ist individuell und hängt davon ab, in welcher Schwangerschaftswoche mit der Behandlung begonnen wird. Sinnvoll ist es, etwa in den letzten vier Wochen vor dem Entbindungstermin ein- bis zweimal pro Woche zu akupunktieren. Eine Behandlung dauert in etwa eine halbe bis eine Stunde.
Kann jeder eine Akupunkturtherapie in Anspruch nehmen oder gibt es Einschränkungen?
Theoretisch kann das fast jeder. Ausgenommen sind Menschen, die eine Nadelphobie oder eine Nickelallergie haben. Bei ihnen macht man mit der Hand Tuina-Akupressur.
Werden die Kosten hierfür von den Krankenkassen erstattet?
Die privaten Krankenkassen übernehmen die Behandlung für gewöhnlich. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten nur bei chronischen Beschwerden in den Kniegelenken oder bei einem Lendenwirbelsyndrom.
Dr. Sun wurde in Peking geboren und hat sich auf Chinesische und Rehabilitative Medizin spezialisiert. Als langjähriger Chefarzt im Deutschen Zentrum für Chinesische Medizin in Bad Füssing ist er auch ärztlicher Leiter und Prüfer für Manuelle Therapie im Fort- und Weiterbildungsinstitut das mediABC in Nürnberg. Seit Jahren bietet er Akupunktur und andere TCM-Methoden an, um die unterschiedlichsten körperlichen Beschwerden zu kurieren.
Bilder: Gettyimages, privat (1)