Social Freezing

Ist Social Freezing die Babygarantie?

SCHWANGERSCHAFT, Wissen

Uli Morant

Der Kinderwunsch lässt sich gerade nicht mit den Lebensplänen vereinbaren? Immer mehr Frauen überlegen dann, Eizellen einfrieren zu lassen. Doch eine Babygarantie ist diese Methode auch nicht.

Was ist Social Freezing?

Social Freezing gibt es bereits seit den 1970er-Jahren. Bei dem Verfahren werden einer Frau Eizellen entnommen und im sogenannten Vitrifikationsverfahren schockgefroren. Danach werden sie bei minus 196 Grad Celsius in flüssigem Stickstoff gelagert. Wenn die Frau bereit ist für eine Schwangerschaft, werden die Eizellen aufgetaut, im Labor befruchtet und eingesetzt. Entwickelt wurde das Verfahren eigentlich für junge Krebspatientinnen. Sie sollten sich vor einer Chemotherapie Eizellen entnehmen lassen können, um diese vor den aggressiven, zerstörerisch wirkenden Zellgiften zu schützen, mit denen der Krebs behandelt wird.
Inzwischen nutzen auch gesunde Frauen Social Freezing, um freier in der Familienplanung zu sein und sich aktiv auf die Situation vorzubereiten, vor der so viele Angst haben: dann, wenn endlich alles bereit ist für ein Baby, aus Altersgründen keines mehr bekommen zu können. Die Möglichkeit, so die biologische Uhr auszutricksen, erscheint verlockend. Aber wie sicher ist das Verfahren und wie hoch ist die Chance, nach Social Freezing tatsächlich ein gesundes Baby zu bekommen?

Wir haben dazu die Gynäkologinnen Dr. Antje Mainka und Dr. Anne-Sophie Fleckenstein befragt:

Eigentlich war Social Freezing (SF) für junge Krebspatientinnen gedacht, um nach einer Chemotherapie ihren Kinderwunsch umsetzen zu können. Wie sehr ist SF inzwischen auch bei gesunden Frauen angekommen?

2015 standen bereits zwei Drittel von über 1.000 befragten 18- bis 30-Jährigen dem Social Freezing positiv gegenüber. Auch weil immer mehr Arbeitgeber, vor allem Firmen aus den USA, das Social Freezing für junge Mitarbeiterinnen kostenfrei anbieten, wird es zunehmend populärer und relevanter. Dabei spielt das Selbstbestimmungsrecht der Frau eine essenzielle Rolle!

Wem würden Sie Social Freezing empfehlen, wem davon abraten?

Für wen SF infrage kommt, sollte in einem individuellen Gespräch zwischen Arzt und „Patientin“ geklärt werden. Es spielen so viele Faktoren eine Rolle, dass eine pauschale Empfehlung sehr schwierig ist. Wichtige Punkte in diesem Gespräch sollten die aktuelle Lebenssituation, die generelle Lebensplanung und das Alter der Frau sein. Auch werden die Finanzen eine Rolle spielen, genauso wie Risiken und die realistischen Chancen auf eine spätere erfolgreiche Schwangerschaft. Dabei sind die persönlichen Vorerkrankungen sowie sämtliche medizinischen Befunde der Frau wichtig, da es durchaus Fälle gibt, in denen dieses Verfahren gar nicht infrage kommt, beispielsweise die schwere Endometriose.

Wie alt sollte die Frau im Idealfall sein? Wie alt darf sie im Höchstfall sein, damit es funktioniert?

Ganz allgemein lässt sich sagen: Je jünger eine Frau ist, desto vitaler sind ihre Eizellen. Spätestens ab 35 sinkt der Anteil der vitalen Eizellen ab. Aus biologischer Sicht liegt das Idealalter für eine Schwangerschaft bei Frauen zwischen 18 und 25 Jahren, da in diesem zeitlichen Fenster die Eizelle ihre optimale Qualität hat. Mit zunehmendem Alter sinkt die Chance, gesunde Eizellen zu gewinnen. Zusätzlich steigt die Zahl der benötigten Stimulationszyklen, das heißt, die Frau benötigt mehr Hormone und gegebenenfalls mehrere Versuche, um genügend Eizellen produzieren zu können.

Wie lange dauert eine Eizellentnahme ungefähr, von der Hormontherapie bis zum Einfrieren?

In der Regel werden die Hormone zu Zyklusbeginn eingenommen und dann können die herangereiften Eizellen nach 14 bis 18 Tagen, je nach Zykluslänge der Frau, in einer kleinen Operation entnommen werden. Nach Aufbereitung und Aussortieren der nicht optimalen Eizellen werden die übrigen dann direkt eingefroren. Also: zwei, drei Wochen insgesamt.

Wie hoch ist die Erfolgsquote, nachdem das aufgetaute, künstlich befruchtete Ei eingesetzt wurde?

Nach einer künstlichen Befruchtung liegt die Erfolgschance für eine Schwangerschaft bei 20 bis 30 Prozent. Allerdings hängt auch das wieder von so vielen Faktoren ab, dass eine individuelle Berechnung nötig ist. Relevant sind dabei wieder die biologischen Faktoren der Eizellen, der Zustand der Gebärmutter, der Lebensstil der Frau – Stichworte: Nikotin und Alkohol –  sowie zu 50 Prozent der andere Teil, also die Qualität der Spermien, mit welchen die Eizelle befruchtet wurde.

Wie teuer ist das gesamte Verfahren?

Es ist mit rund 3.500 Euro pro Behandlungszyklus zu rechnen. Die Kosten setzen sich zusammen aus Hormonstimulation, Eizellentnahme, Kryokonservierung und den benötigten Medikamenten. Zusätzlich fallen jährliche Lagerungskosten an. Sollte man dann auf die eingefrorenen Eizellen zurückgreifen, kommen noch die Kosten für eine künstliche Befruchtung hinzu.

Übernimmt die Krankenkasse einen Teil der Kosten?

Weder die gesetzlichen noch die privaten Krankenkassen übernehmen die Kosten im Rahmen des Social Freezing.

Wie anstrengend ist das Verfahren für Frauen in körperlicher und seelischer Hinsicht?

Das ist sicherlich individuell sehr verschieden und hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Die hormonelle Stimulation macht den Frauen unterschiedlich stark zu schaffen. Das Verfahren der Eizellgewinnung an sich ist aus medizinischer Sicht meist völlig unproblematisch, bedarf aber einer Narkose. Wie jede Frau das Verfahren für sich erlebt, lässt sich sicherlich nicht pauschal bewerten. Ganz klar muss man sagen, dass es für Männer einfacher ist, die Spermien abzugeben.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Baby Behinderungen oder einen Geburtsfehler aufweist?

2013 hat die American Society for Reproductive Medicine (ASRM) das Einfrieren unbefruchteter Eizellen zur Routinemethode erklärt, da keine erhöhte Rate chromosomaler Fehlbildungen oder sonstiger Defizite zu erwarten ist. Somit ist das Risiko genauso hoch wie bei der Restbevölkerung.

Wie viele Babys werden in Deutschland nach Social Freezing geboren?

Bisher gibt es kein zentrales Register zur gezielten Erfassung von Geburten nach SF.

Im Oktober 2014 haben Apple und Facebook bekannt gegeben, bei ihren weiblichen Mitarbeitern die Kosten für SF zu übernehmen. Wie sehen Sie das aus ethischen und aus sozialen Gesichtspunkten?

Sicher ist es für viele Frauen eine gute Chance, ihr Selbstbestimmungsrecht auszuüben und frei entscheiden zu können, wann ein Kind passt. Allerdings ist auch immer die Frage, inwieweit man die Natur „überlisten“ kann bzw. auch sollte. Das ist ethisch natürlich sehr schwierig und das muss jede Frau für sich selbst entscheiden.

Laut einer Umfrage von Forsa aus dem Jahr 2015 stehen 64 Prozent der 18- bis 30-Jährigen der Methode des SF positiv gegenüber. Ist es für Sie aus medizinischer Sicht wirklich ein Instrument zur Familienplanung oder -rettung? Oder hat man es hier mit einem zu großen Machbarkeitsglauben zu tun?

SF ist sicherlich eine Erweiterung im Spektrum der Familienplanung. Jedoch sollten die individuelle Situation und auch die momentanen Grenzen des Machbaren nicht vergessen werden.

Wer mehr zu dem Thema „Kinderwunsch“ erfahren will, findet hilfreiche Informationen in dem Buch „Endlich schwanger!“, von Dr. Antje Mainka und Dr. Anne-Sophie Fleckenstein. Die beiden Gynäkologinnen erklären Verfahren und geben Tipps (GU Verlag 2018, 17,99 Euro).

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