Tradwifes – Hausfrau sein als Social Media Phänomen

FAMILIE, Medien, Menschen, MUM

Fenke Gabriel-Schwan

Auf Social Media sind sie in aller Munde: Die Tradwives, traditionelle Hausfrauen, die für ihren Mann auf die eigene Karriere verzichten. Woher kommt dieser Trend? Und was ist daran gefährlich?

Dieses Phänomen ist nicht neu, und vor allem in den USA und in Großbritannien finden sich viele Anhänger*innen: Die Tradwifes. Dahinter verbirgt sich ein Wortspiel aus  traditionell (traditional) und Ehefrau (wife). Unter diesem Hashtag findet man  Bilder von jungen Frauen an ihren Bügelbrettern, die neuesten Rezepte für Eintopf und Tipps, wie man für Ehemann und Kinder ein besonders gemütliches Zuhause schafft.

Das Revival der Hausfrau

Diese sogenannten Tradwifes wollen ganz bewusst „nur“ Hausfrauen sein. Und zwar ausschließlich. Anti-feministisch finden sie diese Haltung dabei ganz und gar nicht, viel eher pochen sie auf ihr Recht auf Selbstbestimmung. Hashtags wie #femininenotfeminist offenbaren jedoch oftmals die Haltung, die wirklich dahinter steckt. Nicht selten geht dies einher mit einem streng christlichen Lebensstil.

Eine Art Gallionsfigur dieser Bewegung war die Britin Alena Kate Pettitt. Sie betreibt einen Blog mit dem Namen The Darling Acadamy und schreibt hier unter anderem: „Wenn mein Mann mich dafür bezahlt, dass ich zu Hause bleibe und die Dinge tue, die ich brauche, um das Überleben meines Kindes zu sichern, und alles, was ich tun muss, ist, dafür zu sorgen, dass seine Unterhosen sauber sind – dann ist das ein Job, mit dem ich glücklich bin.“

Inzwischen sieht sie ihre Rolle in der ganzen Bewegung sehr kritisch. Ihr Instagram Account existiert nur noch als privater Account, mit wenigen Followern. Laut eigener Aussage hat sie sich aufgrund von gehäufter Kritik zurückgezogen, um ihre mentale Gesundheit zu schützen. Außerdem distanziert sie sich ausdrücklich von der Verknüpfung der Trad Wifes mit rechten Ideologien. „Rassimus und fehlenden Frauenrechte gehören in die Vergangenheit!“ schreibt sie in einem ihrer letzten Blogbeiträge. Darauf bezieht sie sich auf einen kürzlich erschienenen Artikel im New Yorker, indem sie selber die Bewegung der Tradwives „als ein von ihr geschaffenes Monster“ bezeichnet.

Gegenbewegung zum Feminismus?

Von vielen Feministinnen werden die Tradwifes scharf kritisiert. Für sie ist dieser Trend nichts weiter als ein völliges Zurückdrehen der hart erkämpften Frauenrechte. Gleichzeitig macht es auch deutlich, in was für einem Konflikt viele Frauen immer noch zu stecken scheinen, nämlich der Wahl zwischen Fulltime-Managerin und Fulltime-Hausfrau und Mama. Wer sich wie die Tradwifes allerdings nach außen als Hausfrau und Mutter präsentiert, genau damit jedoch Geld verdient und gleichzeitig im Hintergrund noch Unterstützung durch Nanny oder Haushaltshilfe bekommt, hält auf dem Rücken aller Hausfrauen ein patriarchales Weltbild aufrecht, dass jede feministische Bewegung untergräbt.

Weiblichkeit neu definiert?

Tradwifes wie Alene Kate Pettitt wollen, dass sich genau das wieder ändert. Sie glauben, dass sie mit ihren Posts auf Instagram und Co. Botschaften vermitteln, die dafür sorgen, dass Hausfrauen wieder mehr Wertschätzung erfahren. In einem ihrer Artikel auf  „The Darling Academy“ schreibt Pettitt dazu: „Ich mache von meinem Recht zu Hause zu bleiben und für meine Familie zu sorgen, so viel Gebrauch, wie die nächste Frau ihr Recht auf Vollzeitarbeit. Beides ist nicht falsch. Es ist einfach anders. Wir alle unterwerfen uns der einen oder anderen Sache. Egal ob es sich dabei um eine andere Person oder ein Unternehmen handelt. Ich unterwerfe mich meinem Ehemann, so wie er sich mir unterwirft. Es funktioniert in beide Richtungen. Das größte Missverständnis ist die Haltung gegenüber den Ehemännern. Er zwingt mich nicht, zu Hause zu bleiben. Er verlangt es nicht, er erwartet es nicht.“

Die dunkle Seite der Tradwifes

Allerdings, so harmlos diese Flirterei mit der 50er-Jahre-Heile-Hausfrauen-Welt wirkt, ist es nicht. Auch wenn die meisten Tradhousewifes wie auch Alena Pettitt sich streng davon distanzieren, wurde der Trend unter anderem in den USA von politisch rechten Randgruppen aufgegriffen. In einem Artikel für die New York Times schreibt die Amerikanistin Annie Kelly, dass die Huldigung der traditionellen Frauenrollen ein Versuch ist, die „rechte Welt“ auch für Frauen attraktiv zu machen.

Gründe für den Trend

Ängste wie finanzielle Unsicherheit, Jobverlust oder der Verlust von vermeintlichen Privilegien führen verstärkt zu einem romantisierten Blick in die Vergangenheit. Gerade die 1950er Jahre, wo der Mann mit einem sicheren Einkommen für eine ganze Familie sorgte, kann da schnell attraktiv wirken.

All das könnte sich wie ein Versuch der White Supremacists lesen lassen, die die von Männern dominierte Bewegung auch für Frauen attraktiv machen soll. Ehe und Mutterschaft werden hier als sicherer Hafen für finanzielle Sicherheit und gegen sexualisierte Gewalt instrumentalisiert. Auch in Deutschland benutzt die AfD immer wieder das Bild der traditionellen Rollenverteilung in ihrer rechten Propaganda. Auch wenn es nicht die erklärte Absicht der meisten Tradwifes ist, rechte Ideologien zu verbreiten, so spielt es doch genau diesen Parteien in die Hände.

Wie definiert sich die traditionelle Rolle der Frau?

Fragwürdig ist zudem auch die Definition der traditionellen Rolle der Frau. Denn was genau ist das denn, „die Rolle der Frau?“ Ein kurzer Blick in die Geschichtsbücher zeigt, dass die Funktion der Frauen ausschließlich im Privaten und für Mann und Familie zu agieren, noch gar nicht so lange existiert. Dem Mann gesellschaftlich zwar immer untergeordnet, übten Frauen bis ins 19. Jahrhundert sehr wohl eigene Berufe aus, statt sich 24 Stunden lang der Kinderziehung zu widmen. Wer genügend Geld hatte, gab den Nachwuchs ohnehin so früh wie möglich an Amme und Kindermädchen weiter.

Zurück an den Herd

Erst die aufkommende Industriegesellschaft war auf eine strengere geschlechtliche Rollenverteilung – Frau am Herd, Mann auf Arbeit – angewiesen. Ohne diese funktionierende Familiendynamik mit der fürsorglichen Gattin als Unterstützung wäre es schwierig geworden den Anforderungen an die neue immer schneller industrialisierende Welt gerecht zu werden.

In der Individualierungsthese des Soziologen Ulrich Beck heißt es dazu: „Der Mann musste sich mit neuen Anforderungen auseinandersetzen, die auf Selbstbehauptung in einer durch Marktgesetze bestimmten Gesellschaft ausgerichtet sind. Die Frau (der bürgerlichen Schichten) wurde gleichzeitig „entindividualisiert“, stärker auf den Bereich des privaten Heims und auf ein Dasein für die Familie verwiesen.“ Oder kurz gesagt: Das von den Tradwifes immer wieder als biologisch natürlich angeführtes Frauenbild hat so nie existiert. Dieses Bild einer „traditionellen Hausfrau“ wurde von der Gesellschaft für die Gesellschaft geschaffen.


Die neue Welle der Tradwifes

Nicht alle Tradwifes passen in das gleiche Schema. Die Influencerin Nara Smith etwa zeigt ebenfalls ein recht traditionelles Bild der Hausfrau und Mutter, gibt sich aber gleichzeitig als Fashioninfluencerin viel weniger konservativ – sie passt nicht wirklich in eine Nische. Ihre Videos, in denen sie zum Beispiel für ihre Kinder ein Grilled Cheese Sandwich zum Mittagessen macht, erreichen mehrere Millionen Views. Das Besondere? Sie macht in dem Video das Brot, den Mozzarella und das Pesto selber – und lässt es wie eine spontanes Mittagessen wirken. „My toddlers wanted a Grilled Cheese Sandwich for lunch, so here I am making it…“ Es ist so überzeichnet, dass es fast wie Satire wirken könnte. Das Internet ist OBSESSED.

 

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@esteecwilliams How to be a Traditional Wife part 1 #fyp #traditionalwife #tradwife #tradwifetok #traditionalgenderroles #nuclearfamily #traditionalmarriage #housewife #homemaker #femininenotfeminist #tradwifecontroversy #traditional ♬ original sound – Estee

Estee Williams ist vor allem auf Tiktok aktiv. Ihr Content besteht überwiegend aus Hairstylingvideos, in denen sie sich im klassischen Look der 50er zeigt. Aber gerade in neueren Videos geht sie konkret darauf ein, was es für sie bedeutet eine Tradwife zu sein oder warum das Thema aktuell wieder populärer wird. Hashtags wie #femininenotfeminist machen deutlich, dass sie sich gegen den Feminismus positioniert. Das Thema wird bei Tiktok insgesamt sehr kontrovers behandelt.

 

 

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Ein Beitrag geteilt von Hannah @Ballerina Farm (@ballerinafarm)

8,9 Millionen Menschen verfolgen das Leben von Hannah Neeleman auf ihrem Account @ballerinafarm. Die Mutter von 8 Kindern lebt mit ihrem Mann Daniel Neeleman nach eigenen Aussagen das einfache Farmleben. In ihren Video zeigt sie sich in erster Linie beim Kochen und Backen zusammen mit ihren Kindern. Und man muss es ihr lassen – sie schafft es wirklich ein perfektes Bild der „All Amercian Family“ zu zeichnen. Denn neben ihrer Mutterrolle ist die Mormonin mit Abschluss als Tänzerin an der renommierten Juilliard School in New York, auch noch Mrs Amercian 23. Zweimal trat sie jeweils bei Schönheitswettbewerben während ihrer Schwangerschaften an, und bereits 12 Tage nach der Geburt ihres 8. Kindes bereitete sie sich erneut auf die Wahl zur Mrs World in Las Vegas vor. Die Vorbereitungen dazu zeigt sie in einem Reel, in dem man sie auch mit einer ganzen Entourage an Make-Up Artists und Stylistinnen sieht. Just your typical Girl Next Door? Wohl kaum. Nachdem allerdings bekannt wurde, dass ihr Mann der Sohn von Daniel Neeleman ist, dem Gründer der JetBlue Airline und seinerseits Multimillionär, ist auch nicht weiter verwunderlich, dass hier mit anderen Ressourcen gearbeitet werden kann. Weiterhin wird oft kritisiert, ihr Account sei ein reiner Marketingkanal für die Produkte der Ballerinafarm. Im eigenen Onnlineshop werden neben Haushaltsgegenständen auch Boxen mit Lebensmitteln für rund 130-200 Euro vertreiben. 30 Tiefkühl-Croissants zum zuhause fertig backen etwa bekommt man schon für schlappe 137 Euro.

Es stellt sich die berechtigte Frage – ist es noch Tradwife, wenn der Content Einkommen erzeugt?

In Deutschland findet die Bewegung ebenfalls großen Anklang

Auch hierzulande finden sich Anhängerinnen der Tradwife Bewegung. Ein Beispiel ist der Instagram Account Tradwifefactory. Im Gegensatz zu vielen anderen zeigt sie nicht einfach nur ihr Hausfrauendasein, sondern gibt sich geradezu als Aktivistin und stellt sich bewusst gegen feministische Forderungen. Hier ein kleiner Ausschnitt aus ihren Themen:

In den Kommentaren wird viel und hitzig diskutiert, aber es ist ganz deutlich dass diese Inhalte Menschen mit rechter Gesinnung anziehen. Es fallen dort Schlagworte wie Feminazis, linksradikale Propaganda oder auch „Blau ist nicht gleich Braun“.

Eine persönliche Entscheidung?

Damit ist nicht gesagt, dass jede Hausfrau per se unterdrückt ist oder gar von ihrem Ehemann klein gehalten wird. Doch den Begriff der Hausfrau als Ausdruck von persönlicher Freiheit zu bezeichnen und vielleicht auch noch mit feministischen Ideen zu verknüpfen ist schwierig. Wenn Tradwifes  in diesem Zusammenhang  von Tradition sprechen und vielleicht noch auf das Leben der eigenen Oma verweisen, sollte dabei nie vergessen werden, dass genau diese Oma nie eine Wahl hatte, etwas anderes als Hausfrau zu werden.

Bild: Getty

 

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