Saralisa Volm Bodypositivity

Schauspielerin Sara Lisa Volm über Schönheitsideale und Selbstzweifel

MUM, Menschen

Stefanie Staiger

Die Schauspielerin und Regisseurin Saralisa Volm hat ein kluges Buch über Schönheitsideale, weibliche Selbstbestimmung und das Gefühl, nie gut genug zu sein, geschrieben. Wir haben mit ihr über Körperbilder, Essstörungen und Kindererziehung gesprochen

Saralisa Volm ist eine attraktive Frau, der man auf den ersten Blick keine Körperkomplexe unterstellen würde. Groß, schlank, lange dunkle Haare. Als Schauspielerin, Filmproduzentin und Regisseurin ist sie seit vielen Jahren erfolgreich. In ihrem neuen Buch Das ewige Ungenügend beschäftigt sich die 38-Jährige mit Selbstzweifeln, Schönheitsidealen und weiblicher Selbstermächtigung.

Wie ist die Idee entstanden, ein Buch zum Thema Frauen und deren Auseinandersetzung mit ihrem Aussehen zu schreiben?

Saralisa Volm: Das Thema Körper beschäftigt mich schon lange, auch weil es dabei um weit mehr geht als unser Aussehen. Vor knapp drei Jahren habe ich für die Süddeutsche Zeitung einen Artikel über meine Brüste geschrieben. Damals entstand bereits die Idee, daraus vielleicht mehr zu machen. Frauen werden permanent nach ihrem Äußeren bewertet, beurteilt und im Übrigen auch bezahlt. Die öffentliche Wahrnehmung funktioniert über das Aussehen, und das soll möglichst perfekt sein. Schön, schlank, faltenfrei. Es gibt die Option, sich diesem Schönheitsdiktat komplett zu unterwerfen und alles Mögliche dafür zu tun. Oder man ist so lässig und entspannt, dass man sich dem entzieht. Mir geht es so wie wahrscheinlich den meisten Frauen. Ich bewege mich im Mittelfeld. Natürlich beschäftigt mich mein Aussehen, und ich habe auch einen gewissen Anspruch an mich. Gleichzeitig habe ich auch einen Job, vier Kinder, ich bin eher ein Sportmuffel und manchmal einfach auch zu faul (lacht). Aber natürlich bin ich nicht frei von Eitelkeit. Das Thema ist allgegenwärtig und unerschöpflich und ich merke an den Reaktionen auf mein Buch, dass es anderen Frauen genauso geht.

Bodypositivity

Bin ich zu dick? Eine Frage, die Mädchen sich immer früher stellen, beklagt Saralisa Volm im Interview.

Schon mit sieben Jahren fanden Sie ihre Oberschenkel zu dick. Später waren Sie groß und schlaksig und wurden für einen Augenfehler gehänselt. Wie tief sitzen solche Erfahrungen?

Das sitzt sehr tief. Das habe ich auch beim Schreiben des Buches wieder bemerkt. Abwertende Bemerkungen über das Aussehen, sei es nun von Mitschülern, Freunden, Verwandten oder auch von der eigenen Mutter, bleiben oft Jahre oder Jahrzehnte hängen. Meine Großmutter war zum Beispiel sehr streng. Sie hat oft gesagt: Das kannst du nicht anziehen, das sieht an dir nicht gut aus. Und es gibt noch viel drastischere Sätze, die man zu hören bekommt. Das macht es, wenn man ohnehin schon mit sich unzufrieden oder unsicher ist, natürlich noch schlimmer. Gerade als junges Mädchen oder Teenager ist man wahnsinnig sensibel und nimmt sich solche Sätze zu Herzen. In dem Alter sind Mädchen permanent mit ihrem Körper und ihrem Aussehen beschäftigt. Dieses stetige Vergleichen fand ich sehr anstrengend.

Haben Sie den Eindruck, der Schönheits- und Schlankheitswahn fängt immer früher an?

Auf jeden Fall. Früher war es noch eher die Pubertät, jetzt haben schon sechs, sieben Jahre alte Mädchen das Gefühl, zu dick zu sein. 20 von 100 Kindern im Alter von 11 bis 17 Jahren haben ein gestörtes Essverhalten. Mit 14 haben die meisten Mädchen schon mindestens eine Diät hinter sich.

Bei Ihnen hat sich daraus eine schwere Bulimie entwickelt. Wie lange hatten Sie mit der Essstörung zu kämpfen?

Ich hatte einige Jahre damit zu tun. Mit einer Essstörung ist es wie bei anderem selbstzerstörerischem Verhalten: Es ist eine richtige Sucht. Und es dauert lange, aus solchen Verhaltensmustern dann wieder herauszukommen. Man wird eine Essstörung nie ganz los. Bis heute bin ich nicht sicher, ob ich nicht rückfällig werden könnte, wenn mich etwas triggert oder wenn mich ein Schickssalsschlag aus der Bahn wirft. Aber ich bin natürlich um einiges gefestigter, als ich es als Teenager war.

Mit Anfang 20 wurden Sie von Regisseur Klaus Lemke entdeckt und vom Fleck weg gecastet. Hat das dabei geholfen, den eigenen Körper anders zu sehen?

Es hat mir vor allem den Weg in eine andere Welt ermöglicht, nämlich in die der Schauspielerei. Das war etwas, das mich gereizt hat, etwas, das ich unbedingt machen wollte. Es war eine Ablenkung, eine Rettung für mich. Klaus hat mir den Einstieg in die Filmwelt ermöglicht. Wir hatten ein gutes Arbeitsverhältnis, und er hat mir den Raum gegeben, mich zu entwickeln. Natürlich hat sich darüber auch meine Sicht auf mich und meinen Körper verändert. Das ist aber auch das Tolle am Schauspielern: Man schlüpft in eine andere Rolle, verkörpert eine andere Figur und lässt sich da hineinfallen. Der Körper wird dein Arbeitsinstrument. Und alles, was im Alltag peinlich wäre – bluten, schreien, weinen, kotzen –, ist dann Teil der Rolle und vor allem – es ist erlaubt. Für mich war es eine Befreiung.


Die Filmwelt ist ein Metier, das von Äußerlichkeiten bestimmt wird. Wie sind Ihre Erfahrungen mit der Branche?

Was mich stört, ist, dass Frauen ab einem bestimmten Alter praktisch aussortiert werden. Es gibt nach wie vor viel zu wenig gute, anspruchsvolle Rollen für Frauen über 40. Das hat fatale Folgen. Viele Schauspielerinnen sind von Altersarmut bedroht, weil sie keine Jobs mehr bekommen. Auch die klischeehafte Besetzung von Frauen ärgert mich. Spielt ein Film im Winter, dürfen Männer mit dicker Felljacke und Boots rumlaufen, und die Frau friert im dünnen Mantel, weil das besser aussieht. Frauen haben einen geringeren Sprechanteil, bekommen weniger Gage, wir haben einen Pay Gap – das ist eine große Ungleichheit und Ungerechtigkeit.

Sie sind Schauspielerin, Regisseurin, haben eine eigene Filmproduktionsfirma und sind Mutter von vier Kindern. Wie ging es Ihnen während der Schwangerschaften? Wie war da das Körpergefühl?

Ich wollte sehr gerne Kinder, und das ist nun mal der Weg dorthin. Ich kann jetzt nicht behaupten, dass ich eine leidenschaftliche Schwangere war (lacht). Einiges hat mich im Alltag auch genervt. Zum Beispiel, dass ich wahnsinnig Hunger hatte, aber nicht so viel essen konnte, weil das Baby auf den Magen gedrückt hat. Oder dass ich weniger beweglich war und schneller aus der Puste, je größer der Bauch wurde. Oder dass meine Brüste riesig wurden. Aber ich hatte unglaubliches Glück. Ich hatte vier unkomplizierte Schwangerschaften, gute Geburten, gesunde Kinder. Auch mein Körper hat sich relativ schnell erholt. Für all das bin ich wahnsinnig dankbar.

Was mögen Ihre vier Kinder besonders an Ihrem Körper?

Meine Kinder sind zwischen 5 und 14. Die sehen mich natürlich mit ganz anderen Augen. Und sie sind auch durchaus kritisch. Was sie lustig finden, sind meine schwabbeligen Arme. Ich habe schon das, was man Winkfleisch nennt. Das kneten sie gern. Und was die Kleinen an mir lieben sind meine Brüste.

Und was mögen Sie an sich?

Mein liebster Körperteil ist mein Gehirn. Ich glaube an Bildung. Daran, dass es sich lohnt, Bücher zu lesen, ins Museum zu gehen, sich über Dinge zu informieren, kreativ zu sein. Das ist auch, was ich meinen Kindern mitgeben möchte. Leider wird Bildung immer mehr ein Privileg von Menschen, die sich das leisten können. Das macht mir Sorgen. Denn gleichzeitig sind Kinder mehr und mehr von TV, Internet und Social Media beeinflusst. Nichts gegen Heidi Klum oder die Kardashians. Aber ich möchte meinen Kindern schon noch andere Werte und Vorbilder mitgeben. Sonst lassen sich die Herausforderungen, vor denen sie stehen werden, wie der Klimawandel zum Beispiel, auch nicht bewältigen.

Welche Frau fällt Ihnen spontan ein, die Sie als Role Model benennen würden?

Oh, da gibt es viele. Rosa Luxemburg. Nikki de Saint Phalle. Marie Curie. Nina Simone. Vivienne Westwood. Das sind ein paar, die mir spontan einfallen. Es gibt zum Glück ganz viele tolle Frauen, die ich bewundere und die mich inspirieren.

 

Zur Person:

Saralisa Volm, geboren 1985 in Hechingen, ist Schauspielerin, Regisseurin und Filmproduzentin. 2006 wurde sie von Regisseur Klaus Lemke entdeckt. 2017 produzierte sie ihren ersten Film „Fikkefuchs“. 2022 war sie im preisgekrönten Kinofilm „Als Susan Sontag im Publikum saß“ als Germaine Greer zu sehen. Bei diesem Film war sie auch als Drehbuchautorin beteiligt. Ihr Debüt als Regisseurin, „Schweigend steht der Wald“, feierte bei der Berlinale 2022 Premiere. Im April ist ihr Buch „Das ewige Ungenügend. Eine Bestandsaufnahme des weiblichen Körpers“ bei Ullstein erschienen (21,99 Euro). Saralisa Volm lebt mit ihrem Mann und ihren vier Kindern in Berlin.

 

 

Bilder: Gettyimages (3)

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