Rechtstipps zur Familiengründung: So können sich Frauen absichern
Es lohnt sich, über Finanzen und Versorgung nachzudenken, wenn eine Familiengründung ansteht. Wir haben uns von einer Familienrichterin erklären lassen, was es zu beachten gilt und warum die Ehe immer noch die beste Absicherung für Frauen bietet.
Frau Dr. Lies-Benachib, wie sollten sich Frauen vor der Gründung einer Familie rechtlich absichern? Was raten Sie?
Dr. Gudrun Lies-Benachib: Nach wie vor bietet die Ehe eine gute, gegenseitige Absicherung. Auch wenn sie vielen Paaren vielleicht unmodern oder verstaubt scheint. Aber es ist ja so: Wenn Sie den Mann, den Sie lieben, nicht heiraten, dann passiert mit der Beziehung erst einmal nichts anderes, als wenn Sie ihn heiraten. Denn Eheschließung macht ja nicht wirklich etwas mit Ihnen persönlich, aber sie gibt eine Absicherung.
In der Realität ist es so, dass in den meisten Partnerschaften ein Elternteil zumindest für einige Zeit zu Hause bleibt, wenn Kinder kommen. Zu 90 Prozent ist das immer noch die Frau. Das heißt: Die Frau nimmt die Nachteile der geteilten Erwerbstätigkeit in Kauf. Das alles funktioniert auch ganz prima, bis entweder der Mann in der Beziehung stirbt oder geht. Dann stehen die unverheirateten Frauen mit Kindern oftmals vor dem Nichts. Das ist eine Katastrophe!
Viele Frauen denken aber, sie würden das auch unabhängig von einem Mann hinkriegen. Was sagen Sie dazu aus rechtlicher Sicht?
Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen: Das glaubt man, bis die Kinder da sind. Bei einem Kind mag eine volle Erwerbstätigkeit sich noch einigermaßen organisieren lassen, außer das Kind wird krank, dann muss man schon zusehen, wie man mit den wenigen über die Krankenkasse vergüteten Krankheitstagen hinkommt. Bei zwei Kindern wird es eng mit zwei vollschichtig berufstätigen Eltern, und bei drei Kindern geht es nicht mehr, da muss einer wenigstens teilweise zu Hause bleiben. Das ist im Grunde eine vernünftige Lebensgestaltung, doch man muss dann auch in einer Partnerschaft dafür Sorge tragen, dass derjenige, der weiterhin arbeiten gehen kann und eine ungehinderte Erwerbstätigkeit ausübt, nicht einfach „weggehen“ kann.
Denn wenn sich Väter nach 20 Jahren aus der unverheirateten Beziehung verabschieden, nehmen sie alle Vorteile mit, und die Frauen fallen der Sozialhilfe anheim. Ich versuche schon seit Jahren immer wieder deutlich zu machen, dass diese Frauen eine Absicherung brauchen. Und im Moment ist die beste Absicherung eben, den Kerl zu heiraten.
Gibt es denn keine andere Möglichkeit der Absicherung, einen Partnerschaftsvertrag oder dergleichen?
Natürlich gibt es die Möglichkeit, einen Partnerschaftsvertrag abzuschließen, aber versuchen Sie mal, Ihren Partner in einer nicht ehelichen Gemeinschaft zu einem solchen Vertrag zu bekommen. Stellen Sie sich vor, Sie nehmen den Mann und die Frau und schicken sie zum Notar, und der Mann soll dort unterschreiben: „Für den Fall, dass unsere Beziehung scheitert, zahle ich der Frau weitere fünf Jahre oder, wenn die Beziehung länger gedauert hat, auch lebenslänglich den Geldbetrag X …“
Also ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein Mann das unterschreibt. Abgesehen davon, dass er auch noch unterschreiben müsste, bei einer Trennung für die Rente der Frau aufzukommen oder ihr einen fairen Ausgleich zu gewähren. Das unterschreiben die Männer nicht.
Demnach raten Sie zur klassischen Ehe?
Für eine Beziehung, in der Kinder zu erwarten sind, halte ich die Zivilehe für ein ausgesprochen ausgewogenes Konzept der gegenseitigen Verantwortungsübernahme. Es gibt einen nachehelichen Ehegattenunterhalt, der Zugewinnausgleich sichert, sodass jeder aus den Werten, die während der Ehe geschaffen wurden, sein Scherflein bekommt, und im Versorgungsausgleich werden die Rentenansprüche ausgeglichen. Das ist ein absolut gerechtes Konzept. Dazu würde ich jedem raten, der vor hat, eine Familie zu gründen.
In der Realität gibt es viele unverheiratete Paare mit Kindern …
Ja, momentan werden – bei regionalen Unterschieden – bis zu 40 Prozent der Kinder in nicht verheirateten Beziehungen geboren. Das nimmt zu, denn viele junge Leute glauben, sie bräuchten die Ehe nicht. Sie sehen gar nicht, dass die Ehe auch ein Absicherungskonzept für schlechte Tage ist. Mal ganz zu schweigen von der Witwenrente, die nur nach einer Ehe zur Auszahlung kommt. Wenn der Mann stirbt, ist die mit ihm unverheiratet zusammenlebende Frau außerdem, anders als die Ehefrau, nicht erbberechtigt.
Wie schafft man es in einer nicht verheirateten Partnerschaft, die Betreuungszeiten auszugleichen, also dass derjenige, der weiterhin arbeiten gehen kann, vielleicht mehr bezahlt oder eben einen gewissen Versorgungsausgleich leistet?
Bei nicht verheirateten Paaren gibt es hier keinen rechtlichen Anspruch, den man geltend machen könnte. Dafür bräuchte es den vorhin erwähnten Partnerschaftsvertrag.
Aber unverheiratete Mütter haben bei einer Trennung ebenfalls einen Unterhaltsanspruch?
Ja, eigentlich berechnet sich der Unterhalt der nicht verheirateten Mutter so, dass sie Unterhalt bekommt, der sich an ihrem Einkommen vor der Geburt des Kindes bemisst. Das heißt wenn eine Frau vor der Geburt des Kindes als kaufmännische Angestellte ein Nettoeinkommen von 1.800 Euro hatte, dann muss der Mann das zahlen. Außer er kann nicht so viel zahlen, weil er unter bestimmte Selbstbehaltsgrenzen fällt.
Diesen Unterhaltsanspruch hat die unverheiratete Mutter, sie hat allerdings nie mehr Unterhaltsanspruch als die verheiratete Mutter. Da zieht der Bundesgerichtshof (BGH) schon bei der Bedarfsermittlung eine Grenze ein und sagt, es kann nicht sein, dass eine unverheiratete Mutter einen höheren Unterhaltsanspruch hat als eine verheiratete Mutter.
Das ist doch diskriminierend!
Ja, das kann man so sagen. Der BGH berücksichtigt dabei auch nicht, dass die verheiratete Mutter – anders als die unverheiratete – einen Anspruch auf die Finanzierung einer Altersvorsorge während der Ehe hat. Es ist zudem so, dass die verheiratete Mutter natürlich einen Rentenausgleich über den Versorgungsausgleich bekommt. Die unverheiratete Mutter geht auch hier gänzlich leer aus.
Die nicht verheiratete Mutter bekommt also bei Trennung keinerlei Versorgungsausgleich?
Nein! Das müsste man über einen extra Vertrag regeln. Der reinen Lehre nach steht der nicht verheirateten Mutter sicher lediglich ein Unterhaltsanspruch bis zum dritten Lebensjahr des Kindes zu, ab dann kann sie Unterhalt nur geltend machen, wenn sie infolge der Kinderbetreuung keiner Erwerbstätigkeit nachgehen kann.
Doch ich erlebe in der Praxis extrem selten, dass unverheiratete Mütter diesen verlängerten Unterhaltsanspruch etwa bei Teilzeittätigkeit auch geltend machen. Ich frage mich immer: Warum ist das so? Dass eine Frau mit einem dreijährigen Kind vollschichtig berufstätig ist, ist doch sicherlich selten möglich. Das liegt natürlich auch an der Region, in der man lebt. Aber hier in Kassel, wo ich wohne, ist es nicht möglich, mit einem Kind im Kindergarten vollschichtig zu arbeiten. Das geht von den Öffnungszeiten her gar nicht.
Ehe ist also wichtig für Frauen, die mit ihrem Partner eine Familie gründen wollen. Außerdem kommt man dann in den Genuss des Ehegattensplittings, was ja auch in gewisser Weise diskriminierend ist …
Ja, das ist diskriminierend, da will ich nicht widersprechen. Allerdings gibt es auch eine steuerliche Entlastung für den unterhaltszahlenden, nicht ehelichen Vater, wenn die nicht verheiratete Mutter nicht berufstätig ist. Aber diese greift natürlich lange nicht so weit wie das Ehegattensplitting. Das Ehegattensplitting ist zweifelhaft. Ich würde mir wünschen, dass man es zugunsten eines Familiensplittings auflöst. Es ist zudem ein Fehlanreiz zum Zuhausebleiben, denn natürlich ist es auch für verheiratete Frauen nicht gut, wenn sie ihre Qualifikationen schlummern lassen. Immerhin liegt die Scheidungsquote in etwa bei einem Drittel.
Auch wegen der eingeschränkten nachehelichen Unterhaltsansprüche ist es nicht mehr empfehlenswert, als Frau ganz zu Hause zu bleiben, da riskiert man durchaus etwas. Denn die berufliche Vita des Mannes muss nicht immer super laufen. Man sollte auch damit rechnen, dass er bei einer Scheidung in die Situation kommt, dass er den festgesetzten Ehegattenunterhalt nicht mehr stemmen kann. Als Frau auf eigenen Füßen zu stehen war also schon immer eine gute Idee. Der Unterhalt der nicht ehelichen Mutter dagegen beruht immer noch auf einem Bild des One-Night-Stands und entspricht nicht der gesellschaftlichen Entwicklung in Deutschland.
Würden Sie also sagen, dass die aktuelle Gesetzgebung und Rechtsprechung der Lebenswirklichkeit in Deutschland um etwa 25 Jahre hinterherhinkt?
Ja, aber letztlich haben wir ein funktionierendes Konzept, nämlich die Zivilehe. Sie schlägt Pflöcke ein, ermöglicht Witwenrente und sorgt in dem Fall, dass die Beziehung schiefgeht, für einen ordentlichen Ausgleich der Vermögenswerte, die in der Ehe geschaffen wurden. Zudem gibt es eine ordentliche Unterhaltsregelung. Ich weiß nicht, ob es klug ist, nun noch ein alternatives Konzept, eine Parallelwelt schaffen zu wollen. So schlecht ist das nicht, was wir hier haben. Das Problem ist, dass die Ehe als unmodern angesehen wird. Und ich habe die starke Befürchtung, dass die zunehmenden Geburten von Kindern außerhalb der Ehe keineswegs nur daran liegen, dass die jungen Menschen die Ehe komplett ablehnen. Ich habe stattdessen den Eindruck, dass hier noch etwas anderes mit hineinspielt: Früher waren die Rechte der Väter, also gemeinsame elterliche Sorge, Umgangsrecht etc., nur mit Eheschließung automatisch geregelt. In den letzten Jahren haben ledige Väter, teilweise auch durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, die gleichen Rechte bekommen wie verheiratete Väter, was ich großartig finde. Wenn ein Mann seine Lebensplanung aber ganz kühl und rational betrachtet, dann ist ihm aus keinem Grund zu empfehlen, die Mutter seiner Kinder zu heiraten. Es gibt keinen moralischen Makel mehr, er hat die gleichen Rechte an seinem Kind, die er auch als verheirateter Vater hätte. Natürlich liebt er die Frau und wird sich um sie kümmern und für den entsprechenden Unterhalt der Familie sorgen. Aber gleichzeitig weiß er doch immer, dass er beim Scheitern der Beziehung einfach gehen kann und letztlich finanziell fein raus ist.
Was soll ich unseren Leserinnen jetzt raten: Wenn du schwanger bist, sieh zu, dass du heiratest, weil du dann in jedem Fall besser wegkommst und deine Rechte besser wahren kannst?
Also vielleicht sollte man den Leserinnen raten zu überlegen, ob fernab jeglicher Romantik die Ehe nicht ein Konstrukt ist, in dem sie soziale Absicherung erfahren. Das gesamte Konzept, wie wir Familien in Deutschland finanziell unterstützt kriegen, basiert auf der Ehe. Das kann man leider nicht anders sagen. Und solange das so ist, ist es als Frau tatsächlich blauäugig zu denken, das läuft schon. Frauen und Männer, die nicht heiraten, verzichten auch auf Geld. Und ich denke, dass bei vielen Frauen die weitere Lebensplanung, auch die finanzielle, vor der Geburt des ersten Kindes deutlich naiver ist als vor der Geburt eines zweiten Kindes.
Finden Sie als Richterin, dass die Rechtsprechung in Sachen Unterhalt frauenfreundlich oder eher frauenfeindlich ist?
Ich würde da differenzieren. Ich finde, was die verheirateten Menschen anbelangt haben wir ein gesetzliches Konzept, das in Ordnung ist, weil die ehelichen Nachteile lebenslang ausgeglichen werden. Auch die Phase, in der man aufhört zu arbeiten und laut Statistik besonders armutsgefährdet ist, wird gerecht abgefedert. Und da kommt es dann nicht darauf an, ob man nur halbschichtig oder vollschichtig gearbeitet hat. Für die Nichtverheirateten dagegen ist unser Recht extrem lückenhaft. Es gibt eine Absicherung, die ausschließlich für die ersten drei Lebensjahre des Kindes einigermaßen sicher funktioniert. Und dann gibt es noch eine weitere Absicherung, wenn das Kind älter wird. Aber für den Trennungsfall wird das schon schwierig und auch ansonsten finde ich es äußerst unbefriedigend, dass wir die Frauen vom Wohlwollen des nicht ehelichen Partners abhängig machen. Die Ansprüche, die sie ihm gegenüber geltend machen können, reichen bei Weitem nicht aus. Da würde ich mir wünschen, dass man einen gesetzlichen Rahmen einzieht und die Paare das nicht über einen extra Partnerschaftsvertrag aushandeln müssen. Den unterschreibt doch keiner!
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Warum auch, wenn es nur finanzielle Nachteile für einen der Partner bringt?
Ja, und es ist natürlich auch unromantisch. Man geht zum Notar, wirft diesem gefühlt zu viel Geld in den Rachen, um dann etwas zu vereinbaren, von dem mindestens ein Teil nicht so richtig überzeugt ist. Da ist es doch viel schöner, sich in die Augen zu schauen und zu sagen: Ich liebe dich auch ohne Geld! Bitte stören Sie sich nicht an meinem Zynismus, das ist eine Art Berufskrankheit, denn ich beschäftige mich den ganzen Tag mit gescheiterten Beziehungen (lacht). Aber sehen Sie doch nur mal, wie sehr homosexuelle Paare für die „Ehe für alle“ gekämpft haben. Dabei gab es schon die eingetragene Lebenspartnerschaft, die die Versorgung der Partner gesetzlich wie eine Ehe abgedeckt hatte. Aber sie wollten unbedingt „heiraten“ und haben eine Öffnung der Ehe durchgesetzt. Gleichzeitig entwickeln sich die Zahlen für Familiengründungen in heterosexuellen Partnerschaften mit Trauschein für heterosexuelle Paare in eine ganz andere Richtung. Das ist doch verrückt!
Zur Person:
Dr. Gudrun Lies-Benachib ist seit acht Jahren Mitglied der Kommission Familienrecht (K2) des Deutschen Juristinnenbundes. Im Hauptberuf ist sie seit 2003 Familienrichterin, seit 2015 Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht (2. und 7. Familiensenat in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt).
Bilder: Gettyimages