Wie bereite ich mein Kind aufs Geschwisterkind vor?

FAMILIE, Menschen

Isabelle Jänchen

Die Freude bei den Eltern ist groß: das zweite Baby kommt. Unser Kind wird große Schwester oder großer Bruder! Doch wie nehmen die Kleinen die Ankunft des Geschwisterkinds auf? Wann sollen Eltern dem größeren Kind von der Schwangerschaft erzählen und wie geht man als Eltern mit dem Thema "petzen" um, wenn die Kids größer sind? Wir haben mit der Buchautorin und zweifachen Mutter Nicole Schmidt gesprochen und nachgefragt, was sie Eltern rät!

Das zweite Baby kommt: Wie bereite ich mein Kind auf das Geschwisterkind vor

Geschwister prägen uns unser ganzes Leben. Manche verstehen sich die meiste Zeit gut, andere bekommen sich jedes Mal wegen Kleinigkeiten in die Haare. Die Konstellationen sind vielfältig, ebenso die Altersunterschiede. Aber allesamt vereint sie das Band, das zwischen Geschwistern automatisch besteht. Eine Partnerschaft und Freundschaften kann man beenden, die Geschwisterbeziehung bleibt ein Leben lang.

Eine Beziehung, die man sich nicht aussucht, in der Liebe und Hass, Verständnis und Konkurrenz ganz eng beieinander liegen. Um sich gut zu entwickeln, müssen Kinder sich auf Augenhöhe ausprobieren. Uns Eltern stellt dies regelmäßig vor neue Herausforderungen. Und auch Kinder müssen lernen, mit neuen Situationen umzugehen. Wichtig zu wissen: Die Phasen, in denen sich Geschwister streiten sind normal und irgendwann haben auch sie ein Ende, erzählt uns Nicola Schmidt im Interview.

Liebe Frau Schmidt, zunächst mal zurück zum Anfang. Sie sind Mutter von zwei Kindern und kennen die Situation aus eigener Erfahrung. Braucht es Vorbereitung für das erste Kind, wenn die Geburt eines zweiten Neuankömmlings bevorsteht?

Ja, auf jeden Fall! Es ändert sich ja für alle etwas – für uns Eltern und für unser erstes Kind. Je nachdem, wie alt das erste Kind ist, sollten wir das Baby übrigens anders ankündigen. Wichtig ist, die Situation aus Sicht des Kindes zu erklären, also nicht: „Wir werden nochmal Mama und Papa“, sondern „Du wirst jetzt großer Bruder/große Schwester“.

Als nächstes hilft es unseren Kindern sehr, wenn wir nicht die Bewertung schon vorgeben und Raum für Sorgen lassen. Wir wollen also nicht sagen: „Du wirst es ganz toll finden!“, sondern auch vor allem für größere Kinder: „Du siehst sorgenvoll aus. Machst Du Dir Gedanken, ob alles anders wird mit dem neuen Baby? Das kann ich verstehen, ich mache mir diese Gedanken auch. Komm in meinen Arm, erzähle mir, was in deinem Kopf herumgeht.“

Es muss Raum sein, dass das Kind sagen kann: „Ich finde das keine gute Idee!“ Auch die ganz Kleinen können das schon haben, diese Angst, dass alles anders wird. Je weniger Druck wir machen und je besser wir das Kind begleiten und verstehen, desto eher kann es mit der Situation umgehen.

 

Geschwisterkind

Willkommen in der Familie – so werden aus Geschwisterkinder gute Freunde

Wie hat ihr Kind die Geburt des Geschwisterkindes aufgenommen?

Mein Sohn war zunächst total begeistert und wir dachten schon: Hey, bei uns gibt es keine Probleme. Aber als das Baby dann Zähne bekam und wirklich viel von mir brauchte, ließ auch bei ihm die Begeisterung nach. Das ist normal und gehört dazu. Er hat dann ganz viel Extra-Umarmungen bekommen, hatte viel Alleinzeit mit Mama und er durfte sich immer beschweren, wenn ihm das Baby zuviel war. Heute sind die zwei ein super Team.


Ab wann empfehlen Sie dem großen Geschwisterkind von dem Baby in Mamas Bauch zu erzählen?

Wann immer den Eltern danach ist, das ist ja ganz unterschiedlich. Allerdings würde ich persönlich immer die ersten 12 Wochen abwarten, damit wir sicherer sind, dass es auch wirklich passiert. Und dann sieht man es ja auch schon bald. Dann muss das große Kind auf jeden Fall informiert werden.

Viele Eltern stehen mit der Schwangerschaft eines zweiten Kindes vor der Frage: Wie werde ich beiden Kindern gleich gerecht? Ihr Tipp?

Zwei Kinder alleine zu betreuen, ist evolutionsbiologisch nicht vorgesehen, vor allem nicht in den kurzen Altersabständen von unter drei Jahren, die wir oft haben. Daher sollten sich Eltern Hilfe holen, soviel sie können. Jedes Kind braucht die Eltern auch für sich alleine, besonders das Erstgeborene.

Und ich kann dem großen Geschwisterkind sehr viel helfen, wenn ich ihm ermögliche, auch wieder „klein“ zu sein, auch auf meinen Arm oder Schoß zu wollen. Manche Kinder nässen wieder ein, wollen gewickelt, gefüttert oder gewiegt werden… Das ist normal und okay! Im Gegenteil: Je mehr wir dem Kind das „klein sein“ ermöglichen, umso schneller kann es diese Phase wieder loslassen.

„Geschwister als Team“ – Ideen für eine starke Familie. Mit wertvollen Tipps für die neue oder alte Situation mit Geschwisterkindern. ©Kösel Verlag, Autorin Nicola Schmidt

In Ihrem Buch „ Geschwister als Team. Ideen für eine starke Familie“ schreiben Sie über die Herausforderungen für Eltern von Geschwisterkindern. Was ist der Schlüssel zu einer harmonischen Familie, in der Geschwister zusammenwachsen?

Im Buch erkläre ich die drei Fallen, die wir Eltern auf jeden Fall vermeiden sollten. In Kurzform wäre das: Vergleichen Sie die Kinder nicht. Ergreifen Sie niemals Partei. Und rasten Sie nicht aus. Das klingt vielleicht utopisch, aber im Buch erkläre ich, wie wir das schaffen, es ist eigentlich ganz einfach, wenn man ein paar Regeln beachtet. Und dann habe wir noch Übungen im Buch, die uns jeden Tag helfen können, mit unseren Kindern in Kontakt zu bleiben. Und das ist auch schon der letzte Punkt: Manchmal sehen Eltern meine Bücher und sagen mir: »Nein danke, das lese ich nicht, ich will gar nicht wissen, was wir bisher schon alles falsch gemacht haben!«

Ich verstehe das. Ich will auch nicht wissen, was ich schon alles falsch gemacht habe und will Lösungen! Wenn ich Eltern also nur einen einzigen Tipp geben sollte, wäre es dieser hier:
»Bleiben Sie mit ihren Kindern in Kontakt. Sagen Sie aus ganzem Herzen: Ich bin für dich da. Ich liebe dich, so wie du bist. «

Ganz einfach. Alles anders folgt danach. Wenn wir es nur einmal am Tag schaffen, unsere Kinder anzusehen und zu denken oder zu sagen: „Es ist so schön, dass du geboren bist“ – dann verändert sich alles.

Wie geht man als Eltern am besten mit dem klassischen Thema „Petzen“ um?

Petzen ist ein schwieriges Feld. Einerseits wollen wir, dass unsere Kinder die Wahrheit sagen und Störungen auch benennen. Andererseits ist das gegenseitige Verraten unter Geschwistern ausgesprochen schlecht für die Atmosphäre in der Familie. Beim klassischen Petzen geht es ja darum, jemand anderen zum eigenen Vorteil anzuschwärzen.

Wenn das Kind also wirklich petzt, also Dinge meldet, die es eigentlich nicht betreffen und die man nicht ändern kann oder muss, dann stellen wir Fragen: »Hm, Tom hatte seine Bonbons mit im Kindergarten. Okay, danke! Brauchst du mich jetzt noch dafür? Gibt es noch etwas, das wir jetzt tun können?« Wenn das Kind reine Informationspolitik betrieben hat, bedanken wir uns freundlich und belassen es dabei. So lernt es, dass wir keinen Handlungsbedarf sehen, wenn wir nicht gebraucht werden und es ohnehin nichts zu tun gibt, aber wir beschämen es nicht mit einem „Du sollst nicht petzen!“.

Wir müssen immer schauen, was hinter dem Petzen steckt. Ich sage immer: Fragt nach dem Bedürfnis hinter dem Verhalten! Braucht das Kind mehr Anerkennung? Sinnt es auf Rache? Gibt es ein Machtgefälle? Und dann sprechen wir das an und versuchen das zu klären.

Vielleicht ein kleiner Lichtblick für alle Eltern: Sind die Zeiten in denen Kinder streiten auch nur Phasen?

Ja, glücklicherweise! Je älter Geschwister werden, desto besser wird es – wenn wir die Kinder gut begleiten. Und manche Geschwister passen von den Temperamenten ja so gut zusammen, die streiten viel weniger.

Wenn die Kinder viel streiten, können wir mit den richtigen Reaktionen viel tun, um diese Phasen zu reduzieren und den Kindern beizubringen, wie man Konflikte friedlich löst. Die Eltern, die das Buch lesen, sind oft erstaunt, wie wenig es braucht und wie schnell die Kinder lernen – auch die Kleinen!

Bilder: Gettyimages

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