Stilkolumne: Stillmode als feministischer Akt?
„We all should be feminists“ – derzeit derobern Shirts mit politischen Slogans die Laufstege. Aber sind es nicht vielmehr feminine Klassiker wie das Wickelkleid, die das Klischee vom „schwachen Geschlecht“ widerlegen? Über das Paradoxon der Stillmode als feministischer Akt …
Würde Simone de Beauvoir heute auf die Laufstege dieser Welt blicken, würde sie wohl lachend den Kopf in den Nacken werfen. Die Gesellschaft der 50er-Jahre stellte jegliche Verbindung von Emanzipation und Damenmode außer Frage. Die Art, wie sich Frau zu kleiden hatte – etwa mit schmalen Röcken und hohen Absätzen, die ein sicheres Auftreten schier unmöglich machten –, zollte mehr dem männlichen Blick Tribut, als weibliche Identität zum Ausdruck zu bringen. Klar sich abzeichnende weibliche Rundungen als Entscheidungskriterium für die Brautwahl. Die Frau stets zu Diensten, gefügig und nachwuchsbereit.
Glücklicherweise haben sich die Zeiten geändert und Damenmode gewann an neuer Bedeutung. Zwei Jahrzehnte später schrieb die US-amerikanische Designerin Diane von Furstenberg, Teil der legendären Studio-54-Crew, Modegeschichte. Anfang der 70er Jahre begann die New Yorkerin ihr eigenes Business aufzubauen, um weder von Vater noch Ehemann finanziell unabhängig zu sein. Ihr Markenzeichen: bunte Jerseykleider. 1974 brachte sie schließlich ihr berühmtes Wrap Dress auf den Markt: „Dieses Kleid bedeutet mir alles. Es hat die Mode verändert, und besonders die Frauen.“, so die Designerin. Das erste Exemplar ist heute im Metropolitan Museum of Art ausgestellt. Ein Kleid, das den Frauen zu Freiheit und neuem Selbstbewusstsein verhalf. Seriös und sexy zugleich.
Aber auch mütterlich? Auch Maternity Labels wie Boob Desigern setzen in ihren Kollektionen auf den multifunktionalen Bestseller. Aus nachhaltigen Materialien, dehnbar und mit Doppelfunktion versehen, wird das Wickelkleid vom schwedischen Herbsteller mit dem Slogan „Das ist gut für Sie, Ihr Baby und die Natur beworben.
In der Öffentlichkeit widerum ist das Wrap Dress mehr im Modekontext und weniger im Stillzusammenhang gern gesehen. Kürzlich empörte in Großbritannien eine Kampagne von „Baby Dove“ Frauen rund um den GLobus. Das britische Unternehmen plakatierte: „75 Prozent finden, Stillen in der Öffentlichkeit sei okay. 25 Prozent jedoch denken: ‚Packt die Brüste ein!‘ – Was meint ihr?“ Viele stillenden Frauen kritisierten, die Aktion unterstütze eben jene 25 Prozent und mache deutlich, dass öffentliches Stillen im jahr 2017 noch immer ein Thema sei. Die eigentliche Intension der Kampagne ging damit nach hinten los.
Statt die Emanzipation mit Mottomode zu verniedlichen und auf minimalistische Designershirts für 300 Euro zu setzen, wäre es demnach doch sinnvoller, mit Wickelkleid und Kind im Schlepptau über die Straßen zu flanieren und allen Schiefgewickelten ordentlich den Kopf zu waschen.
Sliderbild: Diane von Furstenberg