Tiny House: Wohnen auf kleinstem Raum im umgebauten Bus

Auto, FAMILIE, Menschen, Reise

Fenke Gabriel-Schwan

Diese vierköpfige Familie hat es ausprobiert – sie zog von einer 60 qm Wohnung in Kopenhagen in einen 15 qm großen, ausgebauten Bus.

Vom kühlen Dänemark ins sonnige Portugal – ein Umzug, der allein schon eine enorme Veränderung darstellt. Josefine Ekstrand und ihr Mann Emil wagten gemeinsam mit ihren Kindern Leopold (4) und Hilma (2) den großen Schritt. Aber es sollte nicht nur ein einfacher Umzug werden. Schon die Reise dorthin begann mit der größten Veränderung. Sie verkauften ihr gesamtes Hab und Gut, und ein alter schwedischer Militär-Veteranenbus, ein Scania Vabis von 1963, sollte für bis dahin unbestimmte Zeit ihr neues Zuhause werden. Im Interview erzählt uns Josefine Ekstrand mehr über diese spannende Reise.

Was hat euch dazu bewogen, Euer Leben so radikal zu verändern?

Josefine Ekstrand: Es ging in erster Linie darum, wieder mehr Freiheit in unserem Alltag zu bekommen. Wir wollten die Möglichkeit haben, unsere Tage selbst zu gestalten, nicht zuletzt die Zeit zusammen mit unseren Kindern. Es war natürlich auch eine Frage der finanziellen Möglichkeiten, und so waren wir gezwungen, unser Leben mit anderen Augen zu betrachten. Sind die Eigentumswohnung in der Stadt, zwei Jobs, um unseren Lebensunterhalt zu bezahlen, und nebenher die Arbeit an dem Traum vom eigenen Unternehmen wirklich der beste Weg für uns zu leben? Wir wollten eine Möglichkeit finden, als Familie zusammen zu sein, mit der Hoffnung auf Abenteuer die Welt zu sehen und unseren Kindern durch Reisen so viel Wissen wie möglich zu vermitteln. Das waren nur einige der Gedanken, die uns am Ende dazu brachten, den Schritt zu wagen und alles zu verkaufen. Nur so konnten wir letztendlich unseren Alltag verändern.

Wie gestaltete sich dann der Weg, bis ihr endlich auf Reisen gehen konntet?

Emil und ich stürzen uns oft einfach kopfüber in neue Projekte, was natürlich manchmal auch ein paar Überraschungen mit sich bringt. Wir dachten, wir würden ein paar Monate für die Renovierung des Busses benötigen, aber ehe wir uns versahen, war ein Jahr vergangen. Unser Bus ist sehr alt, und die Lieferung seltener Ersatzteile dauerte oft sehr lange. Dazu kam, dass Emil sechs Wochen in der Fahrschule verbringen musste, um seinen Führerschein zu bekommen. Da wir unser Apartment bereits verkauft hatten, zogen wir schon in den Bus ein, bevor er fahrbereit war. Wir dachten, es würde nur für ein paar Wochen sein. Am Ende wohnten wir zwei Monate im Bus, in einer Garage, bevor wir uns endlich auf den Weg machen konnten. Wir waren insgesamt drei Monate unterwegs und am Ende schon etwas erschöpft. Das vorangegangene Jahr war sehr anstrengend gewesen und das machte sich bemerkbar. Insgesamt haben wir also fünf Monate im Bus gelebt, bevor wir an unserem Ziel in Portugal ankamen. Kürzlich trafen wir eine Familie, die seit sieben Jahren in einem Bus lebt. Ich war ziemlich beeindruckt, aber ich glaube nicht, dass Emil und ich das auch tun könnten. Nicht ohne einige Pausen. Uns ist jetzt klar, dass es letztendlich darauf ankommt, den perfekten Standort zu finden.

Ein Leben mit Kindern auf so engem Raum ist eine Herausforderung. Was daran hat euch gereizt, worin seht ihr den größten Vorteil?

Um in einen alten Veteranenbus umzuziehen, mussten wir natürlich sehr viele Sachen loswerden. 15 Quadratmeter für vier Menschen ist nicht viel! Aber die Reduzierung hat sich im Nachhinein als einer der wertvollsten Momente im Leben unsere Kinder herausgestellt. Wir neigen manchmal dazu, uns ein eigenes kleines Gefängnis zu schaffen, gefüllt mit Dingen, ohne die wir uns einbilden nicht leben zu können. Es ist überwältigend zu sehen, wie uns Besitz verlangsamt und es unmöglich macht, einen Ausweg aus dem täglichen Trott oder einer Gewohnheit zu sehen. Die Trennung von vielen unbedeutenden Dingen und Kleidern hat unseren Kopf frei gemacht. Gleichzeitig hat es eine Energie entfesselt, mit der wir uns in neue Träume und Abenteuer stürzen. Aber der größte Vorteil unserer Situation war, dass wir außerhalb der Norm lebten. Unser Bus wird zum Beispiel nur mit Solarenergie betrieben. Wir haben einen normalen Kühlschrank (Camper würden normalerweise gasbetriebene Küchengeräte benutzen), und ich konnte meine Nähmaschine anschließen, während wir mitten im Nirgendwo parkten.


Gab es etwas, das besonders schwierig am Leben im Bus war?

Wenn man so lebt, wird einem klar, wie wichtig Wasser ist! Wir haben einen 120-Liter-Wassertank und der Vorrat ist daher begrenzt. In einem Haushalt mit zwei Kindern gibt es aber viel Geschirr zu spülen! Es ist schwer, seine Gewohnheiten zu ändern, zum Beispiel nicht mehr beliebig lange zu duschen. Ich bin keine Heilige, ich mag meine lange „Ich habe das wirklich verdient“-Dusche. Gleichzeitig ist es für uns und unsere Kinder eine gute Sache, wenn wir uns wirklich bewusst werden, was ein Leben ohne Wasser bedeuten würde. Ich kann euch sagen: Es macht keinen Spaß! Das Schwierigste an allem aber war, ständig umherzuziehen. Irgendwann mussten wir uns eingestehen, dass weder Emil noch mir das Nomadenleben gefiel. Das Parken auf öffentlichen Parkplätzen oder auf überteuerten Campingplätzen war nicht immer schön. Uns war es viel lieber, einen festen Platz über längere Zeit zu haben, um dann wie in einem normalen Haus mit Garten zu leben. Leider haben wir den pefekten, dauerhaften Standort für den Bus in Portugal nie gefunden. Das hat uns zwischendurch ein bisschen gestresst. Ein Geschäft zu führen und jeden Tag mit zwei Kindern zusammen zu sein, erfordert einige ruhige und alltägliche Routinen. Dinge, die schwer zu integrieren sind, wenn man ständig fährt und
nach dem richtigen Platz sucht.

Welcher Moment auf der Reise ist euch besonders in Erinnerung
geblieben?

Es gab so viele Höhen und Tiefen und unglaublich viele seltsame und überraschende Hindernisse auf dem Weg dorthin. Eine besonders beunruhigende Geschichte passierte nur zehn Minuten, bevor wir endlich an der Grenze zu Portugal waren, nach vielen Stunden und Tagen der Fahrt. Wir fuhren nachts mit dem Bus in die Berge, was sich im Nachhinein als ein Glücksmoment entpuppte. Denn nur in der Dunkelheit konnten wir das ungewöhnliches Licht hinten am Bus wahrnehmen. Das Licht von brennendem Feuer! Der Bus hatte eine Fehlzündung, und aus dem Auspuffrohr schoss eine gewaltige Flamme. Was sollten wir tun?! Mitten auf der Autobahn parken oder uns an die nächste Tankstelle wagen? Wie schon so oft dachten wir „Das war’s jetzt, es ist vorbei, wir haben es nicht geschafft!“ Es war sehr unheimlich und wir hatten Angst. In Momenten wie diesen entdeckt man sich selbst! Was für ein Mensch bin ich wirklich und wer sind wir zusammen? Im Nachhinein fand ich, haben wir gelassen reagiert. Ich habe ein wenig geweint, habe Emil gefragt, ob der Bus explodieren könnte (das kommt davon, wenn man zu viele Hollywood-Filme guckt). Emil sagte: „Nein, das glaube ich nicht“, also fuhren wir zur nächsten Tankstelle. Zu unserer großen Erleichterung war „nur“ ein Kabel von der Batterie im Auspuff verbrannt. Dies verursachte unglückliche Reibungen und Störungen in der Elektronik – und löste ein Feuer aus. Mit ein wenig Gaffa-Tape und DIY-Magie waren wir bald wieder unterwegs und schafften es bis nach Portugal.

Inzwischen seid ihr in Portugal in ein Haus gezogen. Was sind eure nächsten Pläne?

Ich hoffe, dass wir eines Tages zurückblicken und stolz darauf sind, dass wir das alles tatsächlich geschafft haben! Wir haben einen Traum verfolgt, haben hart gearbeitet und das alles verwirklicht. Aber nach sechs Monaten Leben im Bus mussten wir feststellen, dass die Suche nach einem dauerhaften Parkplatz leider nicht so einfach ist, wie zunächst vorausgesagt. Wir alle brauchten eine Pause vom Fahren, also haben wir ein Haus am Meer gefunden, um uns auszuruhen. Zurück in die Routine und mehr Zeit, um uns zu entspannen und unser neues Leben im Süden zu genießen. Auch wenn wir „unsere Träume ausleben“ gehört der Alltag mit zwei Kindern immer noch dazu. Und wie alle Eltern wissen, ist es auf 200 oder nur auf 15 Quadratmetern manchmal ein harter Job, Eltern zu sein. Wir mussten uns einleben und Zeit für unsere Firma schaffen, und das erforderte unsere Präsenz. Die Suche nach einem Platz oder einem Grundstück für den Bus war erstmal keine Option. Wenn es sich aber in Zukunft ergibt, möchten wir gerne wieder in unserem kleinen Haus auf Rädern leben.

 

EDIT: Josefine und ihre Familie leben inzwischen wieder in Kopenhagen. Als sie zu Ostern 2020 ihre Familie dort besuchten, wurden aufgrund der Corona-Pandemie die Grenzen geschlossen. Sie konnten nicht zurück in ihr Haus in Portugal und mussten es aufgeben. Also blieben sie gezwungenermaßen Kopenhagen, träumen aber bereits davon wieder nach Portugal zu ziehen! Wer mehr wissen will, folgt ihnen auf Instagram @leoleofamily

Bilder: privat

Unsere Magazine

LUNA NR. 93

BACK TO SCHOOL

Coole Trend-Looks für den Schulstart: Lässiger Streetstyle, French Chic mit Twist, New Denim & Country... Plus: Accessoires mit Wow-Effekt

Zum Jahresabo
Blick ins Heft

LUNA MUM NR. 52

LET'S GET COSY

Maternity Trends für den Herbst: Kleider, Jacken, Blazer, Leder & Kuscheliges für Babys...

Zum Jahresabo
Blick ins Heft