Geburtsbegleitung mit Doula – Eine alte Tradition lebt wieder auf

Geburtsbegleitung mit Doula – Eine alte Tradition lebt wieder auf

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Silvia Silko

Die Arbeit einer Doula hat eine lange Tradition. Dennoch erlebt das Konzept dieser individuellen Geburtsbegleitung dieser Tage eine Renaissance. Wir haben 5 Fakten über die Doula für euch.

Was ist eine Doula? 5 Fakten zum Beruf

  • Das Wort „Doula“ kommt aus dem Altgriechischen. Es leitet sich von dem Wort „doulalei“ ab und bedeutet so viel wie „Dienerin der Frau“. In seiner heutigen Bedeutung wurde der Begriff jedoch erst in den 70ern wieder geprägt. Die Wissenschaftler Kennell und Marshall nutzen ihn als Berufsbezeichnung für eine anwesende, helfende Person während der Niederkunft der Frau – und benannten somit einen neuen Berufszweig.
  • Der Beruf „Doula“ ist (bisher) in Deutschland nicht geschützt. Grundsätzlich kann sich jede Frau so nennen und diesen Beruf ausüben. Allerdings gibt es den Verein „Doulas in Deutschland„, der Doulas nach transparenten Richtlinien ausbildet und so für einheitliche Ausübung des Berufs sorgt.
  • Der Trend, eine „professionelle beste Freundin“ mit in den Kreißsaal zu nehmen, kommt aus den USA. Hierzulande nehmen jedoch auch immer mehr Frauen den Service einer Doula in Anspruch.
  • Doulas sehen ihr Wirken zwischen den Ärzten, der Hebamme und der werdenden Mutter. Hebammen sind medizinisch ausgebildet, haben allerdings mehrere Frauen, die sie betreuen. Durch diesen Umstand kann die psychische Seite auch mal zu kurz kommen. Ärzte kümmern sich um die rein medizinische Seite einer Geburt. Doulas hingegen haben durchaus medizinisches Grundwissen, sind nur für eine werdende Mutter da und kümmern sich um alles Emotionale einer Geburt. Sie weichen der Gebärenden nicht von der Seite, erklären ihr sämtliche Vorgänge und sorgen auch dafür, dass ihre Stimme und ihre Wünsche Gehör bekommen.
  • Durch die Anwesenheit einer Doula ist Folgendes nachgewiesen worden: Die Geburtszeit wird um etwa 25 % verkürzt. Gleichzeitig werden 60% weniger PDAs gesetzt (nach einer Studie von Marshall H. Klaus, John H. Kennell, Phyllis H. Klaus)

Doulas machen also einen wichtigen Job, können von ihrem Dasein als Doula aber nicht leben – es ist viel mehr eine Berufung. Leider beschreibt der sich verstärkende Doula-Trend eine traurige Tatsache: Wäre die Situation der Hebammen in Deutschland nicht so prekär, bedürfte es keiner Doula.

Geburtsbegleitung mit Doula – ein Erfahrungsbericht

Positive und negative Emotionen liegen bei einer bevorstehenden Geburt viel zu nah beieinander: Einerseits ist Heike voller Vorfreude darauf, bald Mama zu werden, andererseits hat sie wie viele Frauen Angst vor dem, was auf sie zukommt. „Ich habe mir viele Gedanken über die Schmerzen gemacht, hatte Panik, dass ich die Geburt nicht durchhalte. Außerdem weiß man natürlich über Dinge wie einen Dammriss oder Ähnliches Bescheid, das hat mir Sorgen bereitet.“ Obwohl Heike ihren Mann mit in den Kreißsaal nehmen möchte, fehlt ihr eine erfahrene, individuelle Betreuung. Auf einem Besuch der „Babywelt“-Messe stolpert sie über das Konzept einer Doula. Der aus dem Altgriechischen abgeleitete Begriff steht für „Dienerin der Frau“. Zwar wurden der Name und seine heutige Bedeutung erst Ende der 1970er-Jahre geprägt, das Konzept ist jedoch schon jahrhundertealt.

Der Beruf der Doula erlebt seine Renaissance

Bereits in der Antike gebaren Frauen unter der Zuwendung einer kundigen Vertrauten, die die werdende Mutter mit ihrem Wissen und vor allem mit ihrem Beistand unterstütz- te. Zunächst erlebte diese „professionelle beste Freundin im Kreißsaal“ ihre Renaissance in Amerika, mittlerweile aber breitet die Doula sich mehr und mehr auch im europäischen Raum aus.
Leider beschreibt diese Entwicklung gleich- zeitig ein trauriges Defizit in den Kreißsälen: Die prekäre Lage der Hebammen an deutschen Krankenhäusern ermöglicht längst keine individuelle Betreuung mehr. Zu wenige Hebammen müssen mehrere Gebärende gleichzeitig betreuen. Dabei bleibt alles, was über die rein medizinische Versorgung hinausgeht, meistens auf der Strecke. Hier beginnt die Arbeit einer Doula.
„Wir sehen uns als Unterstützung der werdenden Mutter und als Ergänzung zur Arbeit des Krankenhauspersonals, vor allem der Hebamme“, erklärt Denise Wilk, seit 20 Jah- ren praktizierende Doula. Ihr Wunsch, diesen Beruf auszuüben, entwickelte sich durch ihre erste eigene Geburt, die nicht Denises Vorstellungen entsprach. „Ich würde nicht sagen, dass es traumatisch war, aber es war eine unangenehme Erfahrung. Ich hatte es mir, vielleicht etwas zu naiv, romantisch und schön vorgestellt, ein Kind auf die Welt zu bringen.“ Bei Denise war die Geburt jedoch von kalter Krankenhausatmosphäre und wenig einfühlsamen Beteiligten geprägt. „Dabei kann eine Geburt ein so intensives und magisches Ereignis sein“, weiß die mittlerweile sechsfache Mutter. Sie möchte anderen Frauen negative Erlebnisse im Kreißsaal ersparen und ihnen die Angst nehmen – also genau das, was Heike braucht. Die Schwangere stößt durch Zufall auf Denise und nimmt Kontakt auf.
„Wir haben uns bereits beim ersten unverbindlichen Kennenlernen gut verstanden“, beschreibt Heike das Treffen mit Denise. Bei den Frauen, der Schwangeren und der Doula, ist es wichtig, dass sie einen Draht zueinander haben. „Anders stellt sich weder Vertrauen noch Entspannung ein und beides braucht eine Frau bei der Geburt“, weiß Denise. Des- halb gehören zu ihrem Service als Doula zunächst bis zu drei Treffen mit der werden- den Mutter. Hierbei soll ergründet werden, ob man sich überhaupt versteht. „Denise hat eine sehr überzeugende Art und konnte mir direkt beim ersten Treffen viele Ängste nehmen. Und dass sie schon sechs eigene Kinder auf die Welt gebracht hat, ist natürlich auch sehr überzeugend“, erzählt Heike. Reichen drei Treffen tatsächlich, um genug Vertrauen für eine gemeinsame Geburt aufzubauen? Heike nickt: „Ich glaube, dass man sofort merkt, ob es funktioniert oder nicht. Außerdem war Denise immer für mich da: Wenn ich sie angerufen oder ihr eine SMS geschickt habe, weil ich eine Frage oder Sorge hatte, hat sie sich sofort bei mir gemeldet. Ich habe mich plötzlich einfach nicht mehr alleine gefühlt, sondern wusste, dass ich mich ganz auf sie verlassen kann. Genau dieses Gefühl hat mich durch Denise auch in den Kreißsaal begleitet.“

Doula – ein schützenswerter Berufszweig

Denise ist eine zertifizierte Doula der GfG. Diese Gesellschaft für Geburtsvorbereitung ist ein Verein, der Frauen unter anderem zu Geburtsbegleiterinnen aus- und fortbildet. Das Ganze folgt bestimmten Richtlinien, damit gesichert ist, dass die Fähigkeiten der Doulas gewissen Standards entsprechen. Dass der Berufsstand der Doula nicht geschützt ist, macht die Arbeit des Vereins besonders wichtig, denn im Prinzip darf sich jede Frau „Doula“ nennen, ohne irgendeine Ahnung von den Vorgängen einer Geburt zu haben. Daher ist eine erste Voraussetzung, um die Ausbildung zur Doula antreten zu können, die eigene Mutterschaft. Es wird davon ausgegangen, dass ein Ereignis wie die Geburt nur in Gänze verstanden werden kann, wenn es bereits selbst durchlebt wurde. Deutschlandweit gibt es zurzeit knapp fünf- zig Doulas, zu finden auf der Homepage der GfG. Wirklich hoch ist die Zahl der praktizierenden Doulas also nicht. Dabei ist die beruhigende Wirkung, die eine erfahrene Doula auf eine Gebärende hat, nicht zu unterschätzen: Geburten, bei denen Doulas anwesend sind, weisen eine um 50 Prozent verringerte Kaiserschnittrate auf, die Geburtsdauer ver- kürzt sich um rund 25 Prozent und es werden bis zu 60 Prozent weniger Schmerzmittel verabreicht.
Diese Daten wurden bereits 1995 vom Medizinerteam Dr. Marshall H. Klaus und Professor John H. Kennell erhoben und auch Denise berichtet von sehr positivem Feedback auf ihre Anwesenheit hin: „Die Frauen wissen, dass ich jede ihrer Emotionen und Ängste schon einmal durchgemacht habe. Außerdem ist ihnen bewusst, dass ich den Vorgang der Geburt bestens kenne. Dadurch wird die Situ- ation ungemein entzerrt.“ Heike stimmt zu. Sie sei dank Denise entspannter durch den gesamten Prozess der Geburt gekommen.
„Ich wäre wahrscheinlich bei der ersten Wehe direkt ins Krankenhaus gefahren – aus Angst, irgendetwas falsch zu machen. Das wäre für mich aber nicht das Richtige gewesen!“, berichtet Heike. Denise pflichtet ihr bei: „Vor allem bei der ersten Geburt neigen die Frauen dazu, sich direkt auf den Weg zur Klinik zu machen. Zwischen den ersten Wehen und der tatsächlichen Geburt liegen jedoch meistens Stunden. Diese in einer sterilen Klinik zu verbringen, kann durchaus aufs Gemüt schla- gen. Was Frauen sich erhoffen, wenn sie in die Klinik fahren, sind Zuwendung und Sicher- heit. Häufig gibt man ihnen dort aber eher das Gefühl, sie seien noch ‚nicht richtig‘.“ Das findet Denise nicht in Ordnung. Sie vermittelt ihren Klientinnen, dass sie alles richtig machen und alles okay ist. Mit Heike und ihrem Mann ist sie deshalb erst später zur Klinik gefahren. So konnte Heike noch einen ruhigen Vormittag zu Hause verbringen und Kraft sammeln, bevor es in die Klinik ging. „Dort wurden wir als eingespieltes Team empfangen. Wir drei hatten uns zu diesem Zeitpunkt auch längst aufeinander eingestimmt“, erzählt Denise.

Die persönliche Bindung zwischen Doula und der gebärenden Frau ist wichtig

Die Verbindung zwischen Heike und Denise ist beim Gespräch spürbar. Sie erzählen von der zusammen durchgestandenen Geburt wie von einer schönen Erinnerung. Auch wenn Heike durchaus nicht vergessen hat, dass sie die Geburt ihres Sohnes als anstrengend und als Extremsituation empfand. Dennoch liegt im gemeinsamen Erleben der Niederkunft eine Art kostbares Geheimnis, das nur die beiden Frauen kennen. „Ich habe auch heute noch Kontakt zu Frauen, denen ich vor zwanzig Jahren bei der Geburt beigestanden habe. So etwas verbindet einfach“, sagt Denise und lächelt.
„Ich wäre zu vielem gar nicht imstande gewesen, wenn ich Denise nicht an meiner Seite gehabt hätte. Beispielsweise hat sie mir im Kreißsaal eine Badewanne erkämpft“, erinnert sich Heike. Als sie aus dem warmen Badewasser stieg, ließ Söhnchen Dominic nicht mehr lange auf sich warten. Laut Denise hatte Heike „eine richtige Bilderbuchschwangerschaft für eine Erstgebärende. Die Geburt verlief problemlos, die heiße Phase dauerte nicht allzu lange. Das war alles super!“ Die frischgebackene Mutter ist sich sicher, dass es nur durch Denises Anwesenheit so reibungslos verlief: „Ich war komplett in mich gekehrt und musste die ganze Zeit die Hand meines Mannes halten, aber das Bewusstsein, dass meine Vertraute in der Nähe war, hat mich ungemein beruhigt. Ich spürte, dass ich mich auf sie verlassen kann und dass sie mich durch diese Situation manövrieren wird.“ Damit einer Frau die Geburt tatsächlich in positiver Erinnerung bleibt, geht Denise ganz individuell auf ihre Bedürfnisse ein: „Jede Gebärende ist anders. Ich habe schon erlebt, dass eine Frau einfach nur den Blickkontakt zu mir brauchte und sonst ganz viel Ruhe. Andere möchten gerne animiert werden, benötigen jemanden, der sie an ihre Atmung und ihre Haltung erinnert oder ihnen einfach nur die Hand hält.“

Eine Doula begleitet die Geburt ganz nach den Wünschen der Gebärenden

Denise ist ein spiritueller Mensch – und trotzdem ein eher geradliniger Typ. Bei einer Geburt aber passt sie sich ganz ihrer Klientin an. Es sei schon einmal vorgekommen, erzählt sie, dass sie für eine andere Doula eingesprungen sei: „Ein ganz anderer Typ Frau als ich. Sie ist das Yin zu meinem Yang, könnte man sagen. Bei ihr wird in den Vorbereitungen meditativ gesungen, weil genau das auch während der Geburt helfen soll.“ Obwohl das nicht Denises Überzeugung ent- spricht, hat sie sich selbst völlig zurückgenommen: „Natürlich habe ich dann mit der Gebärenden mitgesungen und alles in ihrem Sinne getan. Sie gibt die Richtung vor, ich bin für sie da. Dienerin der Frau eben, mit allen Konsequenzen!“
Insbesondere in angespannten Situationen leistet eine Doula wichtigen Beistand. Hier geht es darum, die Befürchtungen der werdenden Mutter ernst zu nehmen, sicherzustellen, dass ihre Stimme von den Ärzten gehört wird, und bei allen Beteiligten für Verständnis zu werben. Das erfordert ein sehr diplomatisches Vorgehen: „Ich darf auf keinen Fall für Spannung sorgen oder die kritische Situation weiter eskalieren, auch wenn ich der Meinung bin, dass gerade etwas gehörig falsch läuft. Ich muss dann tief durchatmen und an das Wohl der Mutter denken.“

Was ist der Unterschied zwischen Doula und Hebamme?

Denise ist maßgeblich an einer selbstbestimmten und bewussten Geburt beteiligt. Hierfür ist eine Doula perfekt geeignet, da sie dank ihrer Ausbildung genügend Know-how besitzt, gleichzeitig aber nicht so befangen ist wie die Ärzte und emotional ungebundener handeln kann als etwa der Partner oder die persönliche Begleitung der werdenden Mutter.
Darüber hinaus kann eine Doula auch den werdenden Vater beruhigen, kann ihm die Abläufe erklären und sich auch für ihn Zeit nehmen. Denn im Kreißsaal werden die Männer häufig vernachlässigt. Das ist zwar verständlich, aber auch für den Papa in spe ist die Geburt ein hochemotionaler und wichtiger Vorgang. So bieten manche Doulas vor und nach der Geburt ihre Dienste an, um die gesamte Familie auf das neue Mitglied vorzubereiten.
Die Aufgaben einer Doula unterscheiden sich also durchaus von der Arbeit einer Hebamme. Deshalb sollte die „Dienerin der Frau“ auch nicht in Konkurrenz mit einer Hebamme stehen. Bedenken, dass sich eine unangenehme Situation durch die Anwesenheit einer Doula ergeben könnte, sind dennoch nicht ganz unberechtigt. „Meine mögliche Beleghebamme hat mir sehr schnell und deutlich gesagt, dass sie nicht mit einer Doula zusammenarbeiten möchte“, erzählt Heike. Es ist also wichtig, sich vorher zu informieren und die Doula bei der betreffenden Entbindungsstation anzukündigen.
Bis zum glücklichen Ende
Denise findet, dass die Eins-zu-eins-Betreuung einer Hebamme jeder Frau zustehen sollte. Ihrer Meinung nach fängt ihre Arbeit erst da an, wo die der Ärzte, aber leider eben auch die der Hebammen aufhört. Grundsätzlich könne eine werdende Mutter gar nicht zu viel betreut werden. „Eine Geburt ist ein feierliches Ereignis und eine werdende Mutter sollte so viel Unterstützung wie nötig und möglich bekommen!“
Wo die Hebammen unter Zeitmangel und starkem Druck stehen, kann eine Doula ganz unbeeinträchtigt agieren. Sie verlässt ihre Klientin nicht, „egal wie lange die Geburt dauert“. Denises längste Geburt als Doula dauerte vierzig Stunden, dabei geriet sogar sie körperlich an ihre Grenzen. „Ich war danach einfach müde und erschöpft. Aber das ist Teil meines Jobs – ich weiche der werdenden Mutter nicht von der Seite.“

Was kostet der Service einer Doula?

Denises Angebot umfasst neben den vorbereitenden Treffen einen 24-Stunden-Bereitschaftsdienst in den zwei Wochen vor und in den zwei Wochen nach dem errechneten Termin. Geht es mit der Geburt los, ist Denise sofort zur Stelle. Zusammen mit den Vortreffen kostet ihr Service rund 750 Euro, was etwa im deutschlandweiten Durchschnitt liegt. Bisher ist es noch so, dass eine Doula privat bezahlt werden muss, Krankenkassen übernehmen diesen Dienst nicht.
Die meisten Doulas üben ihre Tätigkeit nebenberuflich aus, so auch Denise Wilk: „Leben kann man davon nicht. Aber darum geht es auch nicht. Meine Arbeit als Doula ist eine Berufung und ich gehe ihr mit Leidenschaft nach.“

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