Mommy Wars: Der anstrengende Konkurrenzkampf unter Müttern

Mommy Wars: Der anstrengende Konkurrenzkampf unter Müttern

Das Anstrengende am Muttersein? Sind die anderen Mütter, findet unsere Autorin Laura Ewert. Sie hat sich dazu ein paar Gedanken gemacht …

Kaum ist das Baby da, schon gehen die Kämpfe los

Genau genommen ging es schon zwei Tage nach der Geburt los: ein Stuhlkreis im anthroposophischen Krankenhaus, frischgebackene Eltern mit Augenrändern und debilem Grinsen im Gesicht, versammelt um einen Arzt. Bevor mein Mann, mein Sohn und ich das Krankenhaus endlich verlassen dürfen, will er uns noch schnell das Einmaleins des Elternseins erklären. Schon seit einer Stunde redet er über Themen wie „Zucker ist nicht gut für Kinder“ oder „Schnuller sind die erste Droge im Leben“. Wer schon einmal nach einer Geburt längere Zeit auf einem Stuhl gesessen hat, versteht meine unangenehme Lage. Aber nicht nur der Arzt redet, sondern auch diese Mutter in ihrem blütenweißen Landhaus-Nachthemd. Und sie hört gar nicht mehr auf. Sie hat nämlich schon zwei Kinder, und da gibt es zwangsläufig viel zu erzählen. Zum Beispiel, dass es gar nicht so einfach sei, den Kindern keinen Zucker zu geben, dass ihre Kinder aber nur ganz selten Zucker bekämen und deswegen vermutlich auch so gut geraten seien. Da möchte die Mutter neben ihr (bei der nächsten Geburt werde ich auch so perfekt manikürte Nägel haben!) natürlich auch noch etwas sagen. Sie hat nämlich ebenfalls bereits einen Sohn, und der wollte nie einen Schnuller haben. Tolles Kind, tolle Mutter. Ich will weg.

Besserwisserinnen mit Kinderwagen

Spätestens da wurde mir klar: Das Schlimmste am Kinderkriegen sind andere Mütter. Wenig Schlaf, erbrochene Milch und kaum noch Sex – alles halb so wild verglichen mit den Besserwisserinnen mit Kinderwagen. Wie lange muss man stillen? Wogegen muss man impfen? Darf man Fotos von seinen Kindern im Internet posten? Ist man ein schlechtes Elternteil, wenn man seinen Kindern püriertes Obst im Alubeutel gibt? Über all das existieren sehr verschiedene Ansichten. Nicht mal über Parteipolitik streiten sich Menschen so verbissen. Und selbst einen Olympiasieg tragen die Leute nicht derart offensichtlich vor sich her wie ihre Erziehungsmethoden. Warum reden Mütter, die alleine mit ihren Kindern unterwegs sind, eigentlich immer so laut, als würden sie mit den Menschen um sich herum sprechen? Selten wird unter Müttern direkt gehetzt, es ist eher der Unterton in der Frage, wie alt das Kind bei der Kita-Eingewöhnung war. Und dann die gespielte Überraschung: „Ach, so jung!“ Manche Mutter schafft es dann gerade noch, schnell ein „toll“ hinterherzuschieben.

Vielleicht ging meine Mütterphobie aber auch schon in der Schwangerschaft los, als ständig jemand einen Ratschlag hatte. Ich solle die Zeit genießen, mehr lesen und Serien schauen. Und permanent wurden mir ungefragt Tüten voller verwaschener Babybodys in die Hand gedrückt, bei deren Flecken zu hoffen war, dass es sich um Schokoeis-Reste handelte. Wobei, Babys essen ja in den meisten Fällen noch kein Eis. Wegen des Zuckers.

Woher kommt dieser Vergleichszwang?

Auf jeden Fall mied ich jegliche PEKiP-Kurse, stillte nicht in Gruppen, blieb dem Babyschwimmen fern und besuchte sogar die Rückbildungsgymnastik nur drei Mal, was ich heute bei jedem Niesen sehr bereue. Alles nur, um anderen Müttern aus dem Weg zu gehen. Selbst meine gute Freundin und ihre Tochter traf ich anfangs selten, weil ich ihre Blicke nicht sehen wollte, mit denen sie meinen Sohn immer vergleichend anschauten. Steht er schon? Spricht er schon? Schreit er viel?

Woher kommt bloß dieser Vergleichszwang? Weil wir zu wenig über die Entwicklung eines Kindes wissen? Weil wir unsicher sind angesichts der vielen Möglichkeiten, die wir in der Erziehung haben? Weil wir ständig Entscheidungen treffen müssen und die große Frage im Raum steht: Wie viele Kinder möchte ich, und wie viel Raum gebe ich der Familie in meinem Leben? Weil wir Regisseure sind für die Rolle, von der alle behaupten, es sei die Rolle unseres Lebens? Eine Rolle, die besetzt ist mit Vorstellungen, die klar von der Realität abweichen? All das meinen zumindest die Experten.


Soziologen sprechen vom „Mütterterror“

„Menschen, die keinerlei Anerkennung von außen erhalten, können Versagensängste und Schuldgefühle oft nur kompensieren, indem sie versuchen, sich selbst aufzuwerten. Da es aber keine Aufwertung durch gesellschaftliche Anerkennung oder Lob für Mütter gibt, bleibt ihnen nur eine Möglichkeit: sich selbst aufzuwerten und besser zu fühlen, indem sie andere abwerten“, sagt Christina Mundlos. Die Soziologin hat das Buch „Mütterterror: Angst, Neid und Aggressionen unter Müttern“ (Tectum Verlag 2013, 19,90 Euro) geschrieben und erklärt darin die Konkurrenzsituation und fehlende Solidarität unter Müttern.

„Problematisch ist, dass bereits in den Krabbelgruppen und Babykursen Eltern lernen, dass ihre eigene Person darüber bewertet wird, was ihre Kinder können“, schreibt Mundlos. „Ältere Geschwister erleben natürlich auch, dass die Eltern fast schon besessen davon sind, ihre Babys mit anderen Babys zu vergleichen. Häufig wird mit diesen Vergleichen im Babyalter begonnen, um sich angeblich gegenseitig zu beruhigen und Akzeptanz von Unterschiedlichkeit zu fördern. Das ist ein ehrenwertes Ziel. Da Mütter aber wissen, dass ihr Stand in der Gesellschaft mit den Leistungen ihrer Kinder steht und fällt, ist letztendlich das Gegenteil der Fall.“

Im Internet heißt es schlicht: Mommy Wars

Im Netz gibt es sogar ein eigenes Hashtag für die leidigen Konkurrenzstreitigkeiten zwischen Müttern, #Mommywars. Vor allem im englischsprachigen Internet tobt unter diesem Stichwort ein verbitterter Streit zum Beispiel darüber, ob man als Mutter arbeiten darf oder ob das Kind deswegen später anfängt, sich zu ritzen oder was man als Jugendlicher eben sonst so macht, um seine Umwelt über die eigene Existenz zu unterrichten. Ein weiteres Hashtag, das das permanent schlechte Geiwssen vieler Mütter anspricht, heißt #Brelfie (für Breast-Selfie): Mütter posten hier Fotos von sich beim Stillen oder stellen Titelseiten von Modemagazinen ein, die Models mit angelegtem Baby zeigen und vergessen dabei, welch einen Druck sie mit dieser Glorifizierung aufbauen und wie schuldig sich manche Mutter fühlt, wenn das Stillen nicht so richtig funktionieren will.

„Mütter, die sich selbst als (…) fehlerhaft empfinden, werden sich deutlich seltener mit Opfern von Vorwürfen solidarisieren als mit denjenigen, die die Vorwürfe formulieren. Dies liegt auch daran, dass die Belastungen (…) ein großes Tabu-Thema sind. Um sich (…) zu solidarisieren, müssten aber das eigene schlechte Gewissen, die Überforderung im Alltag, die nervliche Überlastung und negative Gefühle gegenüber dem Job als Hausfrau und Mutter angesprochen werden“, schreibt die Soziologin Mundlos. Denn die Ansprüche an die Erziehung wachsen immer mehr und damit auch die Frustrationen – ein zufrieden schlafendes, nach Babycreme duftendes Kind ist eben nur ein Teilaspekt der Elternschaft.

Was macht eine Mutter zu einer guten Mutter? 

In der öffentlichen Wahrnehmung gibt es gute Mütter und schlechte Mütter. Väter weisen ganz ähnliche Charakteristika auf. Väter sind oft wie schlechte Mütter. Also wie ich bzw. die, die bei Streitigkeiten auf dem Spielplatz auch mal weggucken, die eine Windel vergessen, wenn sie aus dem Haus gehen, bei einem Wochenendausflug die Regenhose zu Hause lassen oder finden, dass die Zweijährige jetzt wirklich auch mal ein paar Nächte bei den Großeltern verbringen könnte. Nur gilt das bei Männern meist als putzig. Die guten Mütter sind die, die sich nach der Geburt vor allem über ihr Kind definieren. Die erst nach drei Jahren arbeiten gehen. Die ihren Kinderwagen am liebsten in Begleitung anderer Mütter durch die Straßen schieben. Die pausenlos über ihr Kind reden, egal ob es anwesend ist oder nicht. Und die immer einen geschnittenen Apfel dabeihaben.

Gegen gute Mütter ist natürlich nichts einzuwenden. Die können zwar etwas nerven, aber da darf man nicht so streng sein. Allerdings gibt es auch Mütter, die man aus seinem Leben verbannen sollte. Etwa die, die einen bei jedem Husten des Kindes besorgt angucken und sagen: „Er ist aber ganz schön oft krank. Das hat vermutlich erst angefangen, als ihr ihn habt impfen lassen, stimmt’s?“ Oder wie letztens eine alte Bekannte, gerade Mutter geworden, alleinerziehend, super süßes Baby. Es dauerte keine drei Minuten, da erzählte sie, dass ihre Tochter Stoffwindeln trüge, denn Plastik sei ja so schlimm für die Haut und ihre Tochter sage eh schon Bescheid, wenn sie mal müsse. Die Kleine quiekt – und schnell wird ein Eimer druntergehalten. Ganz natürlich. „Total toll“, lächelte ich gequält und hatte schon wieder ein schlechtes Gewissen. Aber nur für zwei Sekunden. Denn ich habe mittlerweile eine Maxime, die ich mir nur immer wieder ins Gedächtnis rufen muss, um mich zu beruhigen: Irgendwas werden wir alle in der Erziehung falsch machen. Die Frage ist nur, was.

 

Bevor Mütter andere Frauen akzeptieren könnten, sollten sie anfangen, sich und ihren Körper selbst zu lieben. Lest hier über die spannende #loveyourlines-Bewegung.

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