Pregorexie: Schlankheitswahn in der Schwangerschaft

Pregorexie: Schlankheitswahn in der Schwangerschaft

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Stefanie Staiger

Die Schwangerschaft sollte eigentlich eine Zeit sein, in der werdende Mütter ihre Rundungen genießen und stolz auf ihren Babybauch sind. Doch immer mehr Frauen versuchen, in den neun Monaten möglichst wenig zuzunehmen. Der Schlankheitswahn in der Schwangerschaft hat einen Namen: Pregorexie lautet der Fachbegriff. Er beschreibt die Sucht, schwanger möglichst dünn bleiben zu wollen

Heidi Klum hat es vorgemacht: Nur sieben Wochen nach der Geburt ihres Sohnes Henry schritt das Model damals gertenschlank in sexy Dessous von Victoria´s Secret über den Catwalk in New York. Von Babypfunden keine Spur mehr! „Wie hat sie das nur gemacht?“ fragen sich Millionen Frauen damals wie heute. Und die Fotoschwemme superschlanker Promi-Damen, die selbst schwanger noch in Kleidergröße 36 passen und nach der Entbindung aussehen, als ob nie etwas gewesen wäre, nimmt seitdem täglich zu. Schwanger ja, dick nein – so lautet offenbar das Credo unter vielen werdenden Müttern. Experten sehen darin einen gefährlichen Trend: Pregorexie ist der Fachbegriff für die Sucht, selbst in der Schwangerschaft möglichst dünn bleiben zu wollen. Dabei gefährden Frauen damit nicht nur ihre eigene Gesundheit, sondern auch die ihres ungeborenen Kindes.

Pregorexie: Panik vor Gewichtszunahme

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10 bis 15 Kilo Gewichtszunahme während der Schwangerschaft gelten bei Gynäkologen als normal (Foto: Unsplash)

Für viele Frauen ist die Schwangerschaft eine Zeit, die mit Freude einhergeht, aber auch von vielen Ängsten begleitet wird. Die Sorge, übermässig zuzunehmen, ist eine davon. Als „normal“ gilt bei Gynäkologen eine Gewichtszunahme von 10 bis 15 Kilo, bei untergewichtigen Frauen darf es auch etwas mehr sein. Für Frauen, die penibel auf ihr Gewicht achten und schon bei drei Kilo mehr in Panik geraten, ist das eine Menge. Vieles deutet darauf hin, dass gerade Frauen, die bereits früher unter Essstörungen wie Magersucht oder Bulimie litten, in der Schwangerschaft besonders anfällig für den Schlankheitswahn sind.

„Da war diese ständige Angst vor Gewichtszunahme, Kontrollverlust, dass der Körper aus dem Leim geht und man fremd bestimmt ist.“ So beschrieb  die amerikanische Autorin Maggie Baumann ihre Gefühle während der Schwangerschaft. Der Gewichtszunahme steuerte sie mit Hungern und exzessivem Sport entgegen. Ein gefährliches Verhalten – für Mutter und Kind. Denn der Körper hat während der Schwangerschaft einen erhöhten Bedarf an Nährstoffen und Kalorien. Kommt der zu kurz, drohen Fehlentwicklungen beim Fötus, Mangelerscheinungen bei der Mutter und ein erhöhtes Risiko für Fehl- und Frühgeburten. Maggie Baumann hat zwei inzwischen erwachsene Töchter und arbeitet als Familien- und Ernährungstherapeutin. Sie hat den Begriff der Pregorexie und das Phänomen des Hungerns in der Schwangerschaft einem größeren Publikum bekannt gemacht.

Prominente Mütter befeuern den Schlankheitswahn

Michael Abou-Dakn, Chefarzt für Gynäkologie und Geburtshilfe am St. -Joseph-Krankenhaus in Berlin, kennt inzwischen viele Fälle von essgestörten werdenden Müttern und beobachtet eine steigende Anzahl. „Auch früher kamen gelegentlich Schwangere in meine Sprechstunde, die auffallend schlank waren und auf Nachfrage stellte sich dann oft heraus, dass Essstörungen durchaus ein Thema waren“, sagte der Mediziner  dem Berliner „Tagesspiegel“. Inzwischen habe er den Eindruck, dass die Zahl der von Pregorexie Betroffenen zunimmt. Einen ungünstigen Einfluss haben, neben einer eigenen Vorgeschichte mit Magersucht oder Bulimie, auch die Prominenten, die in den Medien ihre „Schlank trotz Babybauch“- Bilder präsentieren und nach der Geburt stolz den After-Baby-Body posten. Klar, durch das ständige Vor-Augen-Haben der superschlanken Promi-Mütter wie Angelina Jolie, Amal Clooney, Herzogin Kate oder Heidi Klum fühlen sich Frauen unter Druck.

Mehr Selbstliebe, weniger Perfektionismus

Früher hieß ein Hebammenspruch über den Babybauch: „Neun Monate kommt er, neun Monate geht er.“ Damit war schlicht und einfach gemeint, dass Frauen sich und ihrem Körper nach einer Schwangerschaft und Geburt entprechend Zeit gönnen sollten, bis sich alles wieder zurückgebildet hat. Schließlich leistet der weibliche Körper in den neun Monaten beachtlich viel, ein neues Leben wächst heran. Die Geburt ist ein anstrengender Akt, und auch das Stillen danach ist kräftezehrend.

Bei den meisten Frauen verschwinden die Pfunde nach der Entbindung tatsächlich ohne viel Zutun. Eine gesunde Ernährung, Rückbildungsgymnastik und moderater Sport tun ihr übriges. Zudem verbraucht der Körper gerade während der Stillzeit noch mehr Kalorien. Bekommt er diese nicht aus der täglichen Nahrung, werden die Fettreserven angegriffen. Bei normal gewichtigen Frauen pendelt sich das Gewicht so auch wieder ein. Bei untergewichtigen Frauen, die kaum über Fettreserven verfügen, klappt oft auch das Stillen nicht. Mehr Selbstliebe und Geduld sind deshalb vor, während und nach der Schwangerschaft angesagt – und weniger Perfektionismus. Sich selbst und dem Baby zuliebe! Denn was sind schon ein paar Pfunde mehr gegen dieses kleine Wunder, dass der Körper vollbracht hat. Schluss mit dem Stress um den Post-Baby-Body!

Hilfe annehmen

Frauen, die an sich ein gestörtes Essverhalten feststellen oder vermuten, an Pregorexie zu leiden, sowie Freunde und Angehörige, die ein solches Verhalten bei einer Schwangeren feststellen, sollten sich unbedingt professionelle Hilfe suchen. Erster Anprechpartner ist der Gynäkologe oder die Hebamme. Er kann an einen Psychologen oder entsprechende therapeutische Einrichtungen weitervermitteln. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung kann ebenfalls weiterhelfen.

Tipps für gesunde Ernährung und Infos zum Thema Essen in der Schwangerschaft findet ihr hier.

 

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