Stillen in anderen Ländern – Verblüffende Unterschiede
Andere Kulturen stehen auch für andere Sitten und Traditionen, dies wirkt sich sogar auf das Stillen von Neugeborenen aus.
USA – Das Recht auf Abpumpen
Seit 1999 gibt es in den USA den „Right to Breastfeed Act“ – das Recht, sein Kind an jedem Ort zu stillen, an dem sich Mütter mit Kindern aufhalten dürfen. Allerdings lehnt laut Umfragen mehr als die Hälfte der US-Amerikaner das Stillen in der Öffentlichkeit ab.
Zudem werden hier auch nur rund 33 Prozent der Babys voll gestillt, bei einer Stilldauer von sechs Monaten sind es gerade noch 13,6 Prozent. Das liegt auch daran, dass es in den USA weder Mutterschutz noch das Recht auf Elternzeit, wie hier in Deutschland, gibt. Dafür haben berufstätige, stillende Mütter allerdings ein Anrecht auf entsprechende Räumlichkeiten für das Abpumpen der Muttermilch. In vielen Firmen gibt es deshalb sogenannte Lactation Rooms.
Frankreich: Sei bloß keine „mère poule“
Wenn es um die Bereitschaft zu stillen geht, gehört Frankreich zu den europäischen Schlusslichtern. Noch immer glauben dort viele, dass Stillen der Form der Brust schade. Den Ausdruck „Rabenmutter“ kennt man dagegen in unserem Nachbarland nicht, dafür aber die Glucke. Als „mère poule“ gilt eine, die ihre Kinder behüten will und sie dabei gleichzeitig mit ihrer Fürsorge erdrückt. Oberste Priorität im Familienmanagement in Frankreich ist darum häufig, dass Maman schnell wieder Geld verdient. Als Ersatz für den Körper-, Haut- und Stimmkontakt zwischen Mutter und Kind gibt es eine Armada von unterschiedlichen Fläschchentypen sowie Schmusetiere und Schnuffeltücher.
Kuba: Nur keinen Stress machen
Starke Aufregung und Stress, das führt beides nach Auffassung vieler Südamerikanerinnen zu „leche agitada“, was wörtlich übersetzt „aufgeregte Milch“ bedeutet. Hört sich schädlich fürs Baby an, und das soll es angeblich auch sein. Darum stillen Frauen in Ländern wie Kuba und Puerto Rico bei Nervosität oder Stress ab und geben ihren Säuglingen statt dessen Fertigpräparate.
Ohnehin werden die Babys in diesen Regionen meist nur kurz gestillt. Schon früh wird das Fläschchen mit industriell gefertigter Ersatzmilch eingeführt, der häufig Maissirup zugesetzt wird. Später bekommt das Baby Kuhmilch.
Mongolei: Muttermilch als Hauptnahrung
Hier gilt Muttermilch als sehr wertvolle Nahrung und das Stillen wird oft regelrecht zelebriert. Anstatt sich in unbelebte ruhige Ecken zu verziehen, ermuntert man die Frauen, auch auf der offenen Straße zu stillen. Und selbst wildfremde Leute beglückwünschen die junge Mutter und fordern sie dazu auf, das Baby weiter zu füttern. Kein Wunder, dass die Kinder hier fast immer bis zu einem Alter von zwei Jahren oder noch länger gestillt werden.
Japan: Lange Stillzeiten
Auch in Japan genießen stillende Frauen traditionell ein hohes Ansehen. Zum Teil wird deshalb auch sehr lange gestillt – oft bis ins Kindergartenalter. Allerdings folgen junge japanische Mütter inzwischen immer häufiger westlichen Trends und stillen nach dem dritten, spätesten sechsten Monat ab.
Wer in Japan unter Stillproblemen leidet, der geht zur Brustmassage, „Oketani“ genannt. Über 300 japanische Frauen üben diese Massageart hauptberuflich aus. Neben der Brustmassage gibt es noch einen weiteren Brauch: Wenn sich Mütter entschließen abzustillen, malen sie sich ein großes Gesicht auf ihre Brust, das ihren Babys den Appetit auf Muttermilch nehmen soll.
Kongo: Papa darf auch ran
In diesem Land bekommt die Gleichberechtigung eine ganz neue Bedeutung. Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern lösen sich hier beim Stillen auf: Babys werden sowohl von ihren Mamas als auch von ihren Papas gestillt. Bei Letzteren wird selbstverständlich keine Milch produziert, doch das Nuckeln an der Brust des Papas hat eine beruhigende Wirkung und festigt die Bindung zwischen Vater und Kind.
Kenia: Frühes Zufüttern
Bevor Massai-Frauen in Kenia und Tansania ihr Neugeborenes an die Brust legen, bekommt es traditionell zuerst einige Teelöffel Butter oder Sahne. Gestillt wird ziemlich lange, etwa über einen Zeitraum von zwei Jahren. Generell ist es in Afrika üblich, den Säuglingen sehr früh außer Muttermilch andere Nahrung zu geben. So wird bei den Luo in Kenia schon mit zwei bis drei Wochen zugefüttert. Drei Monate nach der Geburt macht Getreidebrei bereits die Hälfte der Beikost aus. Und mit sechs Monaten ist ein Brei aus Hirse und gesäuerter Milch die Hauptnahrung.
Die Akamba, die in der Ostprovinz Kenias leben, geben den Säuglingen gleich mit ein bis zwei Monaten abgekochte Kuhmilch und im dritten Monat einen dünnen Brei aus Maismehl.
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