Baby Schlaf

3 Mythen über den Babyschlaf: Was ist dran?

BABY, Wissen

Die Nächte mit einem Säugling können anstrengend sein, denn kaum ein Kind schläft von Anfang an durch. Wir haben die Expertin Caroline Bechmann gefragt, wie man die Kleinen beruhigen kann, was eine sichere Schlafumgebung ausmacht und wie man als Eltern die Nerven behält.

Interview: Ida Larsson

Frau Bechmann, die Norm ist: Babys schlafen nicht acht Stunden am Stück, und dennoch hört man als Eltern häufig die Frage: „Schläft euer Baby schon durch?“ Wieso entsteht diese Frage so häufig in den Köpfen der Menschen?

Caroline Bechmann: Das liegt an falschen Vorstellungen und Erwartungen einiger Erwachsener an Kinder. Früher hat man Kinder eher wie kleine Erwachsene behandelt. Diese falsche Haltung gegenüber Kindern trägt sich von Generation zu Generation und wird durch manchen Ratgeber sogar noch verstärkt. Leider ist unsere Gesellschaft noch weit davon entfernt, familien- und kinderfreundlich zu sein. Kinder sollen und müssen sich an die Welt der Erwachsenen anpassen und dazu gehört nun mal auch das kindliche Schlafverhalten.

Dazu möchte ich aber sagen, dass das kindliche Schlafverhalten natürlich auch anstrengend für Eltern sein kann. Sein Kind zu trösten und in den Schlaf zu begleiten, wenn man selbst sehr müde ist, bringt einen schon an seine persönlichen Grenzen. Wir brauchen unseren Schlaf, und viele Eltern erfahren in den ersten Jahren mit ihren Kindern einen starken Schlafmangel. Wenn Eltern nun davon ausgehen, dass ihre Babys mit sechs Monaten durchschlafen können, weil diese falsche Erwartungshaltung immer noch vorherrscht, dann kann einen das völlig normale kindliche Schlafverhalten schon überfordern.

Die kindliche Schlafentwicklung ist ein Reifeprozess und dauert ungefähr vier Jahre. Dieser Prozess verläuft wellenförmig und individuell. Also bitte vergleichen Sie Ihr Kind nicht mit anderen, denn das kann ganz schön frustrieren. Wenn Sie die kräftezehrenden Nächte an Ihre Grenzen bringen, dann suchen Sie sich Unterstützung in Form von familiärer Hilfe oder bei Schlafberatern und -beraterinnen.

Babyschlaf

Wie sieht die ideale Schlafumgebung für das Baby aus? Gibt es diese überhaupt?

Mein Ziel ist es immer, dass alle Familienmitglieder mit ihrer Schlafsituation zufrieden sind. Die Bedürfnisse aller zählen hierbei und daher ist es wichtig, dass die Schlafumgebung eines jeden stimmt. Das kann ein Familienbett sein, in dem alle ausreichend Platz haben und das Baby schnell und im Liegen begleitet werden kann. Das kann die Schlafbegleitung im Kinderzimmer sein.

Hierbei sollten die allgemeinen Empfehlungen für einen gesunden Babyschlaf beachtet werden: So sollen Kinder bis zum ersten Lebensjahr mit im elterlichen Schlafzimmer schlafen, auf dem Rücken liegend und ohne Kopfkissen sowie ohne Decke, dafür in einem Schlafsack. Auf die Raumtemperatur sollte geachtet werden, es sollte also nicht zu warm sein. Aus Sicherheitsgründen sollten zudem weder ein Nestchen noch Kuscheltiere oder Bettschlangen im Babybett sein.

Und wenn das Kleine lieber im „großen“ Bett bei den Eltern schläft?

Natürlich dürfen Babys auch im Elternbett schlafen, hierbei sollten einige Dinge berücksichtigt werden. Ich persönlich rate Eltern schon immer, sich mit den Empfehlungen für den Kinderschlaf auseinanderzusetzen und diese zu berücksichtigen.

Ansonsten sind die Eltern frei in der Gestaltung der Schlafumgebung. Jede und jeder hat andere Vorlieben: Der eine braucht ein ganz kuscheliges Kissen und ein gekipptes Fenster, um schlafen zu können, der andere geschlossene Rollos. Kinder brauchen in erster Linie das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit und eine Begleitung durch einen Elternteil (oder eine anderen Bezugsperson). Kinder müssen erst einmal die Erfahrung machen, dass Schlafen etwas Schönes ist und nicht „nur“ Trennung bedeutet.


Wie können Eltern mental und physisch ihren herausfordernden Alltag mit einem Baby so gestalten, dass sie weniger gestresst und ausgelaugt sind?

Sich Auszeiten einbauen! Ich weiß, das klingt so einfach daher gesagt, aber es ist nun mal so. Wenn ich den ganzen Tag nur am Machen bin und keinerlei Pausen dazwischen schiebe, dann habe ich keine Kapazitäten und Ressourcen mehr für die nächtliche Betreuung. Eltern müssen ihre Kinder nicht 24 Stunden bespaßen und tausend Dinge tun, damit sich das Kind optimal entwickelt. Der Haushalt darf auch mal liegen bleiben, Termine dürfen verschoben werden und es muss nicht jeden Tag ein Drei-Gänge-Menü her.

Was ich damit sagen will: Eltern dürfen Vorstellungen loslassen und sich Pausen gönnen. Außerdem dürfen sich Eltern viel mehr Hilfe von Familie und Freunden holen, wenn diese in der Nähe sind und ein Zusammenhalt da ist. Und Eltern dürfen mehr Aufgaben abgeben. Dann kauft eben mal die Tante für einen ein, wenn man selbst kaum dazu kommt oder man fragt Freunde. Wir suchen uns zu wenig Unterstützung, weil viele das als Schwäche ansehen. Dabei ist das keine Schwäche, ganz im Gegenteil. Es zeigt Stärke: Sich einzugestehen, dass man gerade ein wenig überfordert ist und Hilfe braucht, um alle Bedürfnisse unter einen Hut zu bekommen, zeugt von reflektiertem Handeln und Denken.

Babyschlaf

Wie gehen Sie in Ihrer Arbeit vor, wenn eine Familie Sie um Hilfe bittet weil das Baby nicht gut schläft?

Eltern melden sich meist per E-Mail mit ihren Anliegen und Problemen bei mir. Wir vereinbaren dann einen Kennenlerntermin und besprechen erst einmal die aktuelle Sachlage. Dann bearbeiten wir gemeinsam die Anliegen und überlegen, wie die Schlafsituation so gestaltet werden kann, dass es allen gut damit geht. Dabei berücksichtigen wir alle Bedürfnisse, die individuellen Rahmenbedingungen und Ressourcen der Familie. Bei mir gibt es keine starren Pläne und auch keinen Ablauf nach Schema F. Es gibt auch kein Training und keine feste Vorgehensweise, jede Beratung verläuft anders.

Natürlich gibt es immer wieder sehr ähnliche Anliegen, aber der Weg zur Veränderung ist individuell und an die Familien angepasst. Ich begleite die Familien ein Stück auf ihrem Weg und stelle gezielte Fragen, sodass sie selbstständig ihre Lösungen finden können. Rückschritte gehören immer mal dazu und sind überhaupt nicht schlimm. Ein großer Teil meiner Arbeit ist auch die Aufklärung über die kindliche Entwicklung, vor allem im Bereich des Schlafens und der Bindung.

Welche drei SOS-Tipps können Sie Eltern mit auf dem Weg geben, wenn ein Baby so gar nicht zur Ruhe kommt?

Mal für einen Abend: Aushalten und versuchen, Entspannung reinzubringen. Sich abwechseln und auf die eigenen Gefühle achten. Und sich während der Einschlafbegleitung etwas Gutes tun. Wenn es ein langfristiges Anliegen wird: Den Tagesablauf genauer anschauen und vielleicht mehr Ruhepausen oder Bewegung einbauen. Vielen Familien hilft es auch, Struktur in den abendlichen Ablauf zu bringen. Die Abendroutine rechtzeitig einläuten, da vielen Kindern das schnelle Umschalten vom Spielen zur Bettruhe schwerfällt. Insgesamt mehr Zeit einplanen und Unterstützung suchen, wenn die eigenen Kraftressourcen aufgebraucht sind.

Schlaf nacht Baby

3 Mythen über den Babyschlaf: Stimmt’s oder stimmt’s nicht?

Mythos 1: Babys mit sechs Monaten können durchschlafen und brauchen nachts keine Nahrung mehr.

Dachte man früher, heute weiß man es besser. Kinder, vor allem das Gehirn, wachsen in den ersten Jahren extrem. Dieses Wachstum findet auch in der Nacht statt, daher brauchen viele Kinder auch nachts noch Nahrung. Durchschlafen an sich sollte kein Erziehungsziel sein, denn wir Erwachsenen wachen nachts auch häufiger auf. Wir erinnern uns nur nicht mehr so oft daran. Wir trinken nachts, wir grübeln, wir müssen auf die Toilette usw. Bei Kindern ist das nicht anders. Der Unterschied ist, dass wir Regulierungsstrategien an der Hand haben und uns selbst in den Schlaf regulieren können. Kinder müssen das mit unserer Hilfe (Co-Regulierung) erst lernen. Und das Erlernen dieser Fähigkeit braucht ein bisschen Zeit.

Mythos 2: Lass dein Kind nachts auch mal schreien, damit es lernt, selbst einzuschlafen. 

Kinder lernen selbstständiges Schlafen durch unsere Begleitung. Selbstregulierung durch Co-Regulierung. Wenn ein Kind nachts schreit, dann braucht es Unterstützung. Ihr Kind kann Angst haben oder erlebt das Aufwachen in der Dunkelheit als Trennung. Kinder brauchen dann Nähe, viele brauchen Körperkontakt, und sie brauchen ein Gefühl von Sicherheit, das sie z. B. durch Kuscheln bekommen.

Mythos 3: Kinder müssen das Schlafen lernen. 

Auch das stimmt nicht, denn Kinder können schon schlafen. Ebenso wie z. B. ein 18 Monate altes Baby aufgrund seines Alters und Entwicklungsstands schlafen kann. Die ersten Monate müssen Kinder da echt viel leisten. Sie müssen die Schlafzyklen miteinander verknüpfen, ihre Schlafphasen verändern sich, und sie entwickeln sich ja auch insgesamt weiter. Die Fremdelphase oder Autonomiephase hat Auswirkungen auf das Schlafverhalten. Später durchlaufen Kinder die magische Phase und haben abends auf einmal Angst vor Monstern usw. Kinder müssen enorm viel verarbeiten und leisten und all das kann sich dann auf den Schlaf auswirken. Schlafen muss nicht gelernt werden, es reift. Individuell und mithilfe von uns Eltern und anderen Bezugspersonen. Das alles heißt aber jetzt nicht, dass es nicht auch Kinder gibt, die von Anfang an mehrere Stunden am Stück schlafen oder recht früh allein im eigenen Kinderzimmer super schlafen. Natürlich gibt es das und das ist auch vollkommen okay, dennoch brauchen die meisten Kinder, was das Schlafen betrifft, Zeit.

 

Zur Person:

Caroline Bechmann ist Psychologin, Erzieherin. Sie berät Familien zu vielerlei Erziehungsfragen und zu allen Belangen rund um gesunden Babyschlaf und gibt auch auf ihrem Blog „liebevoll aufwachsen“ Tipps. Zusammen mit Dominique Reimer hat sie das Buch „Ich kann schon schlafen“ geschrieben (Humboldt Verlag, 2022)

 

 

 

 

Bilder: Gettyimages

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