Die Geschichte der Hausfrau: Was hat sich bis heute verändert?

FAMILIE, Job, Menschen

Das bisschen Haushalt... Bis heute sind Hausarbeit und Kinderbetreuung vorwiegend Frauensache. Wir haben mit der Kulturwissenschaftlerin Evke Rulffes über das Phänomen Hausfrau gesprochen und was sich ändern muss.

Die Hausfrau – im Dienste der Familie

Wenn wir heute an eine klassische Hausfrau denken, haben wir meist spontan ein klischeehaftes Bild vor Augen. Eine hübsch frisierte Frau mit Schürze hantiert in der Küche mit dem Mixer, schwingt lächelnd den Kochlöffel oder schiebt den Braten in den Backofen, während im Hintergrund der Ehemann die Zeitung liest und die Kinder artig mit Teddy und Puppe spielen.

„Das war das Bild, das in den 1950ern und frühen 1960ern progagiert wurde und uns durch die Werbung der damaligen Zeit immer noch sehr präsent ist“, erklärt Evke Rulffes. Die promovierte Kulturwissenschaftlerin hat sich im Rahmen ihrer Doktorarbeit mit der Geschichte der Hausfrau beschäftigt und erklärt in ihrem Buch Die Erfindung der Hausfrau: Geschichte einer Entwertung, woher der Begriff kommt, warum er bis heute eher negativ besetzt ist und wieso sich alte Rollenmuster so hartnäckig halten.

Mythos Hausfrau

So zeigt es die Werbung: Er kommt nach Hause, sie serviert den Braten. (Gettyimages)

Von der Managerin zur biederen Hausfrau

„Der Ausgangspunkt für meine Beschäftigung mit dem Thema der Hausfrau war die sogenannte ‚Hausväterliteratur‘ des 17. und 18. Jahrhunderts“, erzählt Evke Rulffes. Der Hausvater war der Patriarch, das Familienoberhaupt. Die Ratgeberbücher gaben Tipps und praktische Anweisungen zur Haushaltsführung, Landwirtschaft, Viehzucht, Jagd und Imkerei sowie zum Umgang mit Personal und zur Eheführung und Kindererziehung. Adressiert waren diese Ratgeber sowohl an den Mann als auch an seine Ehefrau. Der Erste, der sich ausschließlich an die ‚Hausmutter‘ wandte, war der Brandenburger Landgeistliche Christian Friedrich Germershausen (1725-1810). Sein fünfbändiges Werk Die Hausmutter in allen ihren Geschäfften ist ein umfassendes Handbuch für sämtliche Lebensbereiche und wurde für die damalige Zeit ein Bestseller.

„Was mich fasziniert hat, war, dass die Hausmutter damals kein biederes Hausmütterchen war, wie man heute vielleicht vermuten würde. Sondern eine gestandene Frau, quasi die Betriebsleiterin, die Familie, Haushalt und Angestellte gemanagt und alles organisiert hat. Sie war die Chefin, die Aufgaben verteilt hat und über alles Bescheid wusste, selbstverständlich auch über die Finanzen. Eine sehr machtvolle Stellung. ‚Hausmutter‘ war ein Herrschaftsbegriff“, erläutert Evke Rulffes.

Ehepaare waren früher häufig auch Arbeitspaare

Die Hausmutter stand einem gehobenen bürgerlichen Haushalt vor, der über die entsprechenden finanziellen Mittel verfügte und sich Bedienstete leisten konnte. Einkaufen, Kochen, Waschen, Putzen, Kleiderpflege, Kindererziehung und -betreuung, für alles gab es zuständiges Personal, selbst das Stillen wurde von Ammen übernommen. Heute kaum noch vorstellbar, aber damals allgemein üblich. In ihrem Buch schlägt die Kulturwissenschaftlerin einen weiten Bogen und setzt sogar noch früher an, bei der Rollenverteilung zwischen Mann und Frau im Mittelalter.

„Damals gehörten Frauen zu den Zünften und waren in Berufen wie der Garnmacherin, der Seidenspinnerin oder Goldspinnerin, aber auch als Bierbrauerin oder in anderen  Handwerksberufen vertreten“, berichtet Evke Rulffes. „Ehepaare waren häufig auch Arbeitspaare, und die Frauen hatten eine starke, verantwortungsvolle Stellung. Erst mit der Verdrängung der Frauen aus den Zünften begann die Abwertung ihrer Position, und die Frauen rutschten zunehmend in die Rolle der Zuarbeiterin, der billigen Arbeitskraft und Tagelöhnerin.


Kinder, Küche, Kirche – und als Lohn nichts als Liebe

Die historische Exkursion in Evke Rulffes Buch liest sich spannend, es ist aufschlussreich zu  erfahren, wie die schrittweise „Entwertung“ der Hausfrau stattgefunden hat.„Das stark wachsende Bürgertum konnte im 19. Jahrhundert den Lebensstandard nicht halten, die finanziellen Mittel fielen weg, um Bedienstete für alle Bereiche des Haushalts zu behalten“, erklärt die Autorin.

„Immer mehr Aufgaben blieben an der Ehefrau hängen. Die übernahm sie dann selbstverständlich unentgeltlich, dafür aber aufopferungsvoll. Das wurde mit dem Aufkommen der Liebesheirat dann auch mit Liebe gerechtfertigt: Aus Liebe sollte sie sich der Kindererziehung, dem Kochen, dem Haushalt widmen, ohne eine Gegenleistung zu erwarten“, erklärt Evke Rulffes. „Die Liebe wurde zum kulturellen Imperativ, das schlechte Gewissen mit inbegriffen. Eine ‚gute Mutter‘ kümmert sich um ihre Kinder und ihren Ehemann, stellt ihre eigenen Bedürfnisse selbstlos hintenan und widmet sich ganz und gar dem Dienst an der Familie“, beschreibt Evke Rulffes.

Die Kirche, evangelisch wie katholisch, tat ihr Übriges, um das Bild der fleißigen, sittsamen, bescheidenen und sparsamen Hausfrau zu zementieren. Die Pfarrersfrau wurde zum Role Model. Sie schaffte es scheinbar mühelos und ohne zu klagen, einen Sack voll Kinder, Haushalt, Kochen und ehrenamtliche Arbeit in der Gemeinde unter einen Hut zu bringen. Kinder, Küche, Kirche – der Dreiklang hallt bis heute in konservativen Köpfen nach.

Wirtschaftswunder: Jetzt helfen Haushaltsgeräte

Besonders in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg erfuhr das Bild der Hausfrau neuen Ruhm. Auch die Nazis hatten den Mutterkult glorifiziert und die Rolle der Hausfrau propagiert und für ihre Zwecke missbraucht. In der restaurativen Stimmung der Nachkriegszeit jedoch, nach den ersten harten Jahren des Wiederaufbaus, blühte vor allem in Westdeutschland das Image der rührigen, glücklichen Hausfrau auf.

Frau Hausarbeit

Das Bild der adretten Hausfrau gilt über Jahrzehnte als Ideal. (gettyimages/George Marks)

„Die Heiratsquote war in den 50er-Jahren extrem hoch“, sagt Evke Rulffes. „Die Generation der Kriegsheimkehrer verheiratete sich zu fast 100 Prozent.“ Während die Männer tagsüber ihren Berufen nachgingen, blieben die Frauen zu Hause. Die Hausfrauenehe war, zumindest im Westen, das gängige Modell. Ohne die schriftliche Zustimmung ihres Ehemannes konnte die Ehefrau damals weder ein Bankkonto eröffnen, noch einen Arbeitsvertrag schließen oder den Führerschein machen.

„In der DDR sah das etwas anders aus. Dort gab es bereits seit 1947 von den sowjetischen Besatzungsmächten veranlasst den gleichen Lohn für die gleiche Arbeit. 1950 bekamen die Frauen das Recht, ihren Arbeitsplatz ohne Einwilligung des Mannes frei zu wählen. In der BRD wurde die Hausfrauenehe erst 1977 abgeschafft“, berichtet Evke Rulffes.

Die neue Freiheit bedeutet auch Doppelbelastung

Durch die in der DDR übliche Betreuung von Kindern in Krippen konnte bereits Mitte der 50er-Jahre ein gutes Drittel der Frauen eigenes Geld verdienen. Die Hausarbeit blieb aber trotzdem zusätzlich an „Mutti“ hängen. Gleichberechtigung? Wohl eher Doppelbelastung. Die frühere Bürgerrechtlerin und ehemalige Beauftragte für Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, beschrieb die Rolle der Frauen in der DDR einmal so: „Die Frauen haben eine zusätzliche Rolle übernommen durch ihre Berufstätigkeit. Sie sind aber die alte (nämlich die der Hausfrau) nicht losgeworden. Die Hefte, die Kinder in der Schule für die Lehrermitteilungen mitbekamen, hießen Mutti-Hefte.“

Die Studentenbewegung der 1960er-Jahre forderte gleiche Rechte für Frauen und Männer, was Ausbildung, Bezahlung und Chancen im Berufsleben anging. Doch die Kinderbetreuung blieb auch mit Kinderläden, längeren Betreuungszeiten und einer steigenden Anzahl von Männern, die ihre Partnerinnen aktiv bei der Kindererziehung und der Hausarbeit unterstützten, noch größtenteils Frauensache. „Der Job der Hausfrau wurde zwar als spießig und gestrig verpönt, aber ein richtig gutes alternatives Konzept, was die gleichberechtigte Aufteilung von Haushalt und Kinderbetreuung angeht, hatten die 68er auch nicht“, befindet Evke Rulffes.

Zwar fanden sich an den Universitäten deutlich mehr Studentinnen, mehr Frauen wurden erwerbstätig und ergriffen Berufe, die vorher noch fest in Männerhand waren. Doch eine wirklich gleichberechtigte Rollenverteilung blieb trotz Antibabypille, sexueller Revolution und Kommunenleben aus. Erst die Frauenbewegung der 1970er-Jahre stellte konkrete Forderungen nach mehr  Wertschätzung der Care-Arbeit, beispielsweise durch die Bezahlung der Hausarbeit. Leider ohne Erfolg. Die Hausfrauenehe wurde erst 1977 mit einer grundlegenden Eherechtsreform abgeschafft. Seitdem sind Ehefrauen nicht mehr verpflichtet, den Haushalt zu führen oder ohne Bezahlung im Geschäft ihres Mannes mitzuarbeiten, sondern können frei über ihre Erwerbstätigkeit entscheiden.

Care Arbeit

Laut DIW leisten Frauen im Alter zwischen 35 und 39 doppelt so viele unbezahlte Sorgearbeit wie Männer (Quelle: DIW/März 2023)

Mütter-Wettkampf: Wer ist die Beste?

Heute schreiben wir das Jahr 2023. Im aktuellen Parlament sitzen mehr Frauen als jemals zuvor. Dank Frauenquote haben wir mehr weibliche Führungskräfte und Frauen in Vorständen und  Spitzenpositionen. Unsere wichtigste und beliebteste Politikerin ist derzeit eine Frau: Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen. Rein theoretisch haben Frauen die Möglichkeit, Kinder und Karriere zu verbinden.

Trotzdem hat sich in den letzten Jahren gerade unter den gut ausgebildeten jungen Frauen ein Gegentrend entwickelt. Autorin Evke Rulffes beobachtet das in ihrem Wohngebiet, dem gutsituierten Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. „Hier ist es üblich, zu Kindergeburtstagen mindestens vier Kuchen zu backen“, beschreibt sie in ihrem Buch. „Einen für morgens, einen für die Kita oder Schule und mindestens zwei für die Party. Auch nur einen davon zu kaufen, kommt einem Tabubruch gleich.“

Die Mütter setzen sich selbst unter Druck und liefern sich täglich einen kräftezehrenden Wettkampf, wer die Beste ist, die Job, Haushalt und Kinder spielend unter einen Hut bekommt und dabei auch noch gut gelaunt und top gestylt ist sowie sportlich eine gute Figur abgibt. Eine selbst gemachte Falle, die vor allem dann zuschnappt, wenn Frauen hohe Ansprüche an sich haben.

Care-Arbeit? Immer noch Frauensache!

„Selbst Paare, die eine gleichberechtigte Beziehung führen wollen, stoßen schnell an ihre Grenzen, wenn Kinder geboren werden“, erklärt Evke Rulffes. „Denn immer noch übernehmen die Frauen den Großteil der im Haus anfallenden Aufgaben.“ Doch wie kommen wir heraus aus diesem Dilemma? „Care-Arbeit muss endlich als Arbeit anerkannt werden“, fordert Evke Rulffes und wünscht sich zudem mehr Solidarität unter Frauen. „Alle reden von der Frauenquote und sind theoretisch dafür.

Wenn aber eine Frau tatsächlich versucht, Karriere zu machen, und trotzdem vier Kinder hat, wird sie (nicht ihr Mann) für jede Verhaltensauffälligkeit der Kinder ​verantwortlich gemacht und über ihre Zuhilfenahme von Au-pairs oder Kindermädchen gelästert – von Frauen“, so die Autorin. Höchste Zeit, dass sich etwas ändert.

 

Bilder: Gettyimages/George Marks/Anastasiia Krivenok

 

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