Trockene Haut oder Neurodermitis? Eine Expertin erklärt den Unterschied
Ist es „nur“ trockene Haut oder schon Neurodermitis? Wir haben eine Dermatologin gefragt, wie man den Unterschied bei Babys erkennt und welche Therapien sinnvoll sind
Gerade bei Säuglingen lässt sich nicht auf den ersten Blick klären, ob es trockene Haut ist oder ob sie tatsächlich an Neurodermitis leiden. Doch es ist wichtig für die Therapie, so schnell wie möglich Klarheit zu haben. Eine Expertin erklärt was man tun kann und welche Behandlungen sinnvoll sind.
Wie entsteht Neurodermitis bei Säuglingen?
Prof. Dr. Regina Fölster-Holst: Die Neurodermitis ist eine komplexe Interaktion von genetischen Faktoren und Umweltfaktoren. Wenn mir Eltern ihr Kind zeigen, das trockene Hautstellen hat, dann ist meine erste Frage: Haben Sie jetzt (oder hatten Sie früher) Neurodermitis, Asthma oder Heuschnupfen? Wenn die Eltern unter diesen Krankheiten leiden, kann man beim Kind davon ausgehen, dass es sich um Neurodermitis handelt. Denn diese sogenannten atopischen Krankheiten werden vererbt.
Neurodermitis zeigt sich darin, dass die Haut vermehrt Wasser verliert und trocken wird, dann gibt es kleine Einrisse. Umweltfaktoren wie Schadstoffe, aber auch Infektionserreger wie zum Beispiel Staphilococcus aureus können in die Haut eindringen und Entzündungen verursachen. Das gilt es zu vermeiden.
Ab wann tritt Neurodermitis bei Babys auf?
Am häufigsten im ersten Lebensjahr, und zwar meist nach dem vierten Lebensmonat. Es gibt aber auch Kinder, die bereits in der Neugeborenenzeit Symptome zeigen, also innerhalb der ersten vier Wochen.
Hebammen haben ja oft den Tipp, die Käseschmiere nach der Geburt etwas länger auf der Haut des Babys zu lassen. Helfen solche Maßnahmen?
Das finde ich nicht schlecht. In der Käseschmiere sind Stoffe, die die Haut des Kindes schützen, zum Beispiel Fette. Allerdings hilft die Käseschmiere nicht wirklich gegen Neurodermitis, denn diese ist genetisch bedingt.
Kann ich als Schwangere oder in der Stillzeit die Hautgesundheit meines Babys positiv beeinflussen?
Ja, das kann man sehr gut, indem man nicht raucht und möglichst nicht in Räume geht, wo geraucht wird. Es gibt Studien, die einwandfrei zeigen, dass das Rauchen die Entstehung atopischer Erkrankungen fördert. Vollwertige, gesunde Ernährung ist zudem in der Schwangerschaft besonders wichtig und kann die Hautgesundheit ebenfalls positiv beeinflussen. Wie eine skandinavische Studie zeigt ist, kann es sich auch positiv auf die Hautgesundheit des Babys auswirken wenn Schwangere viel Fisch essen.
Leiden Kinder in nordischen Länder öfter an Neurodermitis als Kinder aus südlichen Regionen?
Ja, es gibt Hinweise darauf. Man geht davon aus, dass das UV-Strahlung, die in den Mittelmeerländern stärker ist als bei uns, eine schützende Wirkung hat.
Wie soll ich gereizte Babyhaut am besten pflegen?
Das kommt ganz darauf an wie sich die Haut in dem Moment zeigt. Ist sie in einem akuten Zustand wo die Bakterien bereits wimmeln oder hat sie nur wenige trockene Stellen? Die trockenen Hautstellen lassen sich gut mit einem sogenannten Emolliens behandeln, also einer speziellen Creme. Ist die Haut sehr gereizt kommt man nicht umhin Cortison zu benutzen. Wir bieten Neurodermitis-Sprechstunden, für Eltern an, in denen wir das genau erklären. Denn vielen Eltern ist nicht klar, dass Cortison auch ein körpereigener Stoff ist.
Man muss sich das Kind also ansehen und entscheiden, ob man entzündungshemmend eingreifen muss. Dann wird für kurze Zeit ein Cortisonprodukt gegeben. Ist die Haut so gereizt, dass bereits Bakterien Schlimmes angerichtet haben, dann muss zusätzlich ein Antibiotikum verschrieben werden. Allerdings nicht, wenn es sich nur um wenige entzündete Stellen handelt. Denn das Antibiotikum beeinflusst wiederum das Mikrobiom im Darm und das ist gar nicht gut. Wir brauchen die Diversität des Mikrobioms, das heißt es müssen immer verschiedene Bakterien da sein, die auch zum Beispiel Staphilococcus aureus unterdrücken – das verhält sich in der Haut so, denn auch hier haben wir ein Mikrobiom.
Was wären weitere Maßnahmen für die Behandlung der Neurodermitis?
Man sollte möglichst zügig wieder von dem Cortisonprodukt wieder „runterkommen“, denn sonst leidet die Haut und ist für immer geschädigt. Das heißt: Man muss kurz und kräftig an die Entzündung ran, das nennt man reaktive Therapie. Danach folgt die proaktive Therapie. Dann trägt man noch ein- bis zweimal pro Woche das Cortisonprodukt auf die befallenen Stellen macht. Das funktioniert sehr gut.
Wenn mein Kind trockene Haut hat ist also Schritt eins: Ich gehe zum Hautarzt.
Genau. Allerdings lässt sich in manchen Fällen nicht sofort zweifelsfrei feststellen, ob es sich nur um trockene Haut oder um Neurodermitis handelt. Das heißt man muss das Kind nach zwei bis drei Wochen noch einmal dem Arzt vorstellen, damit das wirklich abgeklärt werden. Wir Dermatologen sprechen in diesem Fall von einem Ekzema infantum.
Hilft es mein Kind mit rein natürlichen Produkten zu pflegen?
Da muss man sehr aufpassen, denn manche natürlichen Substanzen sind allergen, Ringelblume zum Beispiel. Es gibt ein Verzeichnis, das sich NRF nennt in dem alle nicht reizenden Stoffe vermerkt sind. Nach diesem Verzeichnis kann zum Beispiel ein Apotheker eine Hautcreme anmischen, die nicht reizt. Auf selbst angerührte Cremes würde ich verzichten, denn man kann nie sagen, wie sich die Substanzen auf die Haut des Kindes auswirken.
Kann sich die Neurodermitis mit zunehmendem Alter bessern?
Ja, dreißig bis fünfzig Prozent der Patienten verlieren das. Viele verbessern sich, müssen allerdings das ganze Leben lang aufpassen. Die Neigung zu trockener Haut bleibt dann und gerade wenn sie viel Seife, viel Desinfektionsmittel und viel Wasser benutzen, kann ihre Neurodermitis wieder aufflammen und im schlimmsten Fall zu einem Ekzem führen. Doch bei vielen kleinen Patienten kann sich die Neurodermitis bis zum Beginn der Pubertät – bei den Mädchen so ab acht, neun Jahren, bei den Jungen so ab zehn, elf Jahren – spürbar bessern.
Sollte ich bei einem Kind das Neurodermitis hat besser Stoffwindeln benutzen?
Nein, das würde ich nicht machen, denn Urin und Stuhl irritieren die Haut. Ich würde den Eltern raten normale Windeln zu benutzen und sie öfter zu wechseln als bei einem nicht erkrankten Kind.
Zur Person
Prof. Dr. med. Regina Fölster Holst ist Oberärztin am Campus Kiel. Sie ist Expertin für Neurodermitis (atopisches Ekzem), Allergien und pädiatrische Dermatologie. Sie ist zudem Vorsitzende des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen und seit 2016 Präsidentin der European Society for Pediatric Dermatology.
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