Blasenprobleme: Was hilft bei Inkontinenz, Reizblase und Co.?

Blasenprobleme: Was hilft bei Inkontinenz, Reizblase und Co.?

Gerade während oder nach einer Schwangerschaft haben viele Frauen mit Blasenproblemen zu kämpfen. Birgit Bulla hat ein Buch über das Tabuthema geschrieben und zeigt Behandlungsmethoden auf.

Interview: Stefanie Staiger

Frau Bulla, mit 27 Jahren haben Sie plötzlich eine Reizblase bekommen, sprich: Sie mussten übermäßig häufig zur Toilette für ein paar Tröpfchen. Woher kam das, was waren die Ursachen?

Birgit Bulla: Die Reizblase kam bei mir wirklich aus dem Blauen heraus. Oft sagt man ja, dass ein Schock oder ein traumatisches Erlebnis ein Auslöser sein kann. Eine Trennung, ein Todesfall, irgendwas ganz Schlimmes. Das war bei mir nicht der Fall. Ich war gerade mit meiner Zwillingsschwester auf einem Roadtrip durch die USA, als das losging. Und eigentlich ging es mir gut. Es war dann natürlich besonders lästig, während des Trips ständig zur Toilette zu müssen. Wir waren bei einer Gastfamilie, in der die Mutter Krankenschwester war, und ich habe sie um Rat gefragt. Ich habe dann ganz viel Cranberrysaft getrunken, was man ja auch bei Blasenentzündungen tut. Aber wirklich geholfen hat das nicht.

Zurück in Deutschland haben Sie dann vermutlich einen Arzt aufgesucht. Wo geht man denn mit Reizblase am ehesten hin?

Ich habe zunächst mal gegoogelt, woher das kommt und an wen ich mich wenden soll, und bin dann direkt zu einer Urologin gegangen. Ich wollte lieber zu einer Frau, denn ich bin auch bei einer Frauenärztin. Und das ganze Thema ist einem doch auch irgendwie unangenehm und etwas peinlich, deshalb war mir eine Frau einfach lieber. Leider hat sie mir nur Tabletten verschrieben und ich war schnell wieder raus aus der Praxis. Die Lösung war das noch lange nicht.

Warum ist das Thema Blase, Pinkeln, Blasenentzündung oder Inkontinenz nach der Schwangerschaft etc. immer noch so ein Tabu?

Es ist leider sehr schambehaftet, obwohl jede dritte Erkrankung in Deutschland mit der Blase zusammenhängt. Aber der weibliche (und männliche) Urogenitalbereich ist eben immer noch eine Tabuzone. In Sachen Periode hat sich in den letzten Jahren zum Glück ein wenig getan. Aber die Blase? Da denken die meisten immer noch an inkontinente ältere Männer – ich übrigens vorher auch. Und viele scheuen deswegen den Gang zum Urologen, weil sie denken: Was soll ich da zwischen lauter Senioren beim Pipi-Doktor, mit noch nicht einmal 30?! Dabei betrifft es natürlich auch jüngere Menschen und ganz besonders Frauen, allein schon durch die Anatomie. Die Harnröhre ist kürzer als beim Mann. Und gerade durch Schwangerschaften und Geburten treten Blasenprobleme auf.

Häufig entwickeln Frauen eine Inkontinenz nach einer Geburt, weil der Beckenboden in Mitleidenschaft gezogen wurde. Was kann man selbst dagegen tun?

Bei dieser Form der Belastungsinkontinenz hilft tatsächlich ein konsequentes Beckenbodentraining, das die Muskulatur wieder aufbaut und kräftigt. Dafür gibt es einfache, effektive Übungen, die man allerdings sehr regelmäßig zu Hause machen sollte. Es gibt auch Physiotherapeuten, die sich auf Beckenbodentraining spezialisiert haben. Mit täglichem Training kann man gute Erfolge erzielen.

Inkontinenz

Gezieltes Beckenbodentraining während und nach der Schwangerschaft wirkt gegen die sogenannte Schwangereninkontinenz

Auch die Hormone spielen im Zusammenhang mit der Blase eine große Rolle. Können Sie kurz erklären, welche Wechselwirkungen es gibt?

Das war mir lange selbst auch nicht klar. Aber tatsächlich gibt es Phasen, wie zum Beispiel Schwangerschaften oder die Wechseljahre, in denen Frauen noch anfälliger für Blasenerkrankungen sind. Man weiß inzwischen, dass ein zu niedriger Östrogenspiegel, wie er in der Menopause auftritt, die Blase schwächt. Die Blasenschleimhaut wird trockener und ist nicht mehr so gut durchblutet, das Gewebe ist nicht mehr so elastisch. Das begünstigt eine Reizblase, Blasenentzündungen und Inkontinenz. Auch die Schilddrüsenhormone spielen eine Rolle. Bei mir wurde eine Schilddrüsen-Überfunktion festgestellt, die man aber mit Tabletten gut behandeln kann. Das ist ein sehr komplexes System und Zusammenspiel von Hormonen, deshalb ist es wichtig, das auch wirklich fachkundig von einem Arzt abklären zu lassen.

Viele Frauen leiden unter häufig wiederkehrenden Blasenentzündungen. Auch hier schwingt immer etwas Scham mit: Mache ich etwas falsch? Kommt die Blasenentzündung von zu viel Sex? Durch Unterkühlung? Oder falsche Intimhygiene?

Rezidivierende Harnwegsinfekte können vielfältige Ursachen haben. Aber dass sich Frauen dann auch noch ein schlechtes Gewissen machen (lassen), so nach dem Motto: Die hat wohl zu viel Sex mit zu vielen Typen – das ist total verkehrt! Ursache für 80 Prozent der Blasenentzündungen sind die E. Coli Bakterien, die wir alle in der Darmflora haben. Bei Frauen können sie durch den kurzen Weg von der Darm- zur Harnröhrenöffnung und durch die relativ kurze Harnröhre einfach leichter in die Blase vordringen. Das kann natürlich nach dem Sex passieren, deshalb sollte man relativ rasch auf die Toilette gehen. Aber sich ein schlechtes Gewissen einreden lassen – bloß nicht.

Bei Blasenentzündungen greifen viele zu Antibiotika. Doch es gibt auch Alternativen. Was hilft hier Ihrer Erfahrung nach?

Leider wird bei Blasenentzündungen immer noch schnell ein Antibiotikum verschrieben, und selbst wenn man es selten nimmt, wirkt es oft nicht richtig. Gerade bei immer wiederkehrenden Blasenentzündungen läuft man Gefahr, irgendwann resistent zu werden. Zudem nehmen wir über Nahrungsmittel wie Fleisch ohnehin schon zu viel Antibiotika zu uns. Und die Nebenwirkungen sind natürlich enorm, das ganze Immunsystem leidet, ebenso der Darm. Deshalb bin ich kein Fan. Was erwiesenermaßen gut hilft, sind entzündungshemmende Schmerzmittel wie Ibuprofen. Und bewährte Hausmittel wie eine Wärmflasche und viel trinken. Auch eine Impfung kann helfen.

Auch gegen Ihre Reizblase haben Sie schon einiges unternommen. Was war am effektivsten? Tatsächlich die Botox-Spritze? Tut das nicht weh?

Ich habe wirklich alles ausprobiert: Am Anfang habe ich Tabletten genommen, doch die haben nicht so wirklich gut geholfen und hatten leider recht unangenehme Nebenwirkungen wie einen sehr trockenen Mund und trockene Augen. Ich habe literweise Cranberrysaft getrunken und Blasen- und Nierentee, doch das brachte in meinen Fall wirklich gar nichts. Ich habe versucht, auf Getränke zu verzichten, die den Harndrang noch zusätzlich fördern, wie Kaffee oder Alkohol. Wobei mir das mit dem Kaffee wirklich schwergefallen ist. Auch progressive Muskelentspannung oder Yoga haben bei meiner Reizblase nicht geholfen.
Tatsächlich ist die Botox-Injektion in die Blasenwand das, was bei mir am effektivsten hilft. Die 20 bis 30 Nadelstiche in die Blase werden unter Vollnarkose gemacht, das heißt es tut nicht weh. Man liegt auf dem gynäkologischen Behandlungsstuhl und bekommt eigentlich nicht viel mit. Danach habe ich wirklich mehrere Monate Ruhe und merke eine deutliche Verbesserung. Das Botox hemmt die Aktivität des Blasenmuskels, so nimmt der Harndrang ab. Die Kosten übernimmt die Krankenkasse.

Was raten Sie betroffenen Frauen: Wie geht man mit Blasenproblemen am besten um?

Auf jeden Fall sollte man einen guten Facharzt, sprich Urologen aufsuchen und das Ganze umfassend abklären lassen. Inklusive Urinkultur und Blasenspiegelung. Sich nicht beim Hausarzt oder Frauenarzt mit Tabletten und Antibiotika abspeisen lassen. Es lohnt sich, einen Experten zu suchen, der wirklich Ahnung hat und einfühlsam auf die individuelle Problematik eingeht, auch wenn man dafür mehrere Ärzte ausprobieren muss.

Und wie sieht es mit der Psyche aus? Heilpraktiker und Psychologen sagen oft: Die Blase ist ein Spiegel der Seele, wer zu viel Druck hat, dem drückt auch die Blase. Stimmt das?

Sicherlich gibt es auch einen psychosomatischen Anteil bei Blasenproblemen. In meinem Fall war es so, dass ich schon vorher Therapieerfahrung hatte und meine Reizblase anfing sich zu melden, als es mir eigentlich gut ging. Insofern ist es bei mir ein wirklich organisches Problem. Aber es ist sicher nicht verkehrt, sich mal genauer anzuschauen, was einen im Alltag stresst und einem Druck macht. Dann können Entspannungsübungen, Yoga oder der Gang zum Therapeuten helfen.

Das lustigste oder peinlichste Erlebnis, das Ihnen die Reizblase bisher beschert hat, war …

Also lustig war es nicht, aber es gab eine Situation, die mir sehr im Gedächtnis geblieben ist. Ich bin Journalistin und habe früher oft Promis interviewt. Einmal bin ich für ein Interview mit dem Schauspieler Chris Pratt extra nach London geflogen. Der Interview-Slot war eigentlich nicht lang, so circa zehn Minuten. Aber es wurde live auf Facebook gesendet. Ich war etwas nervös und habe vorher auch noch Kaffee und Cola getrunken, weil ich so lange warten musste. Als ich dann dran war, drückte meine Blase natürlich sofort. Ich habe schweißgebadet meine Fragen gestellt, und es hat auch alles geklappt, aber danach musste ich wirklich fluchtartig zur Toilette und konnte Chris Pratt gerade noch die Hand drücken. Schade, denn ich hätte gerne noch ein Foto gemacht (lacht).

Zur Person:

BlasenentzündungBirgit Bulla hat ihren Blog Pinkelbelle.de ganz dem Tabubereich Blase gewidmet. Jetzt hat sie dazu auch ein Buch veröffentlicht. Die Autorin lebt in München und engagiert sich zudem für Themen wie Tierschutz, Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Das Buch von Birgit Bulla „Noch ganz dicht“ ist bei Hanserblau erschienen (17 Euro).

 

 

 

Bilder: Gettyimages

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