10 Dinge, die beim zweiten Kind anders werden
Beim zweiten Kind ändert sich vieles – zum einen werden wir als Eltern gelassener, zum anderen merken wir, dass jedes Baby einzigartig ist. Hier sind 10 Dinge, die ihr wissen solltet…
Text: Stefanie Rüggeberg
Beim ersten springen wir komplett ins kalte Wasser. Beim zweiten Kind ist das Wasser bereits angewärmt, und wir lassen uns ganz locker treiben. Während wir bei Nummer Eins unbedarfte Laien waren, sind wir bei Nummer Zwei ausgebuffte Profis. Cool, bestens vorbereitet und durch nichts mehr zu schocken.
So ähnlich stellen sich Eltern das zumindest vor – und werden von der Realität dann ein weiteres Mal ziemlich überrascht. Warum? Weil wir als Eltern uns verändert haben. Und weil vieles mit zwei Kindern zwar definitiv einfacher wird, uns dafür jedoch andere Herausforderungen den letzten Rest unserer nun durch zwei geteilten Energie abverlangen können. Da hilft es, wenn Sie auf der wundersamen Reise vom Trio zum Quartett zumindest eine grobe Vorstellung davon haben, was Sie alles erwartet.
1.Die Schwangerschaft läuft eher nebenbei
Beim ersten Mal ist Schwangersein wie ein ziemlich guter Thriller, den man noch nie gesehen hat: Jede Sekunde ist spannend, und alles liefert uns ungeahnte Kicks: der positive Test, der erste Ultraschall, der erste Fußtritt. Jeder kleine Stich im Unterleib lässt uns stundenlang Ursachen googeln. Wir entwickeln einen integrierten Listerien-Radar, schauen bei jedem Käse also zuerst, ob er ja nicht aus Rohmilch besteht und untersuchen selbst Wurstverpackungen auf verdächtige Risse wie Sherlock Holmes.
Beim zweiten Mal ist der Thriller immer noch gut, aber wir haben ihn eben schon gesehen, kennen also die Szenen, die sich nach Nervenkitzel pur anfühlen und dann doch halb so wild sind. Wir gehen nicht gleich vom Schlimmsten aus, wenn aus dem Uterus mal einen halben Tag laute Stille dringt. Wir fotografieren den wachsenden Bauch nicht mehr täglich aus fünf verschiedenen Perspektiven, sondern nur einmal im Monat – wobei das Gehirn dann erst mal rechnen muss, in welcher Schwangerschaftswoche der Körper noch gleich ist. Wir schleppen ohne große Bedenken die Einkäufe und Kind Nummer Eins in den dritten Stock. Und würden uns nicht andere immer wieder auf die neue Schwangerschaft ansprechen – manchmal entfiele sie uns glatt.
Was neben dem Plus an Gelassenheit daran liegt, dass schlicht keine Zeit mehr ist, rund um die Uhr nachzudenken. Kind Nummer Eins, das uns so lange auf Trab hält, bis wir abends ermattet noch vor ihm einschlafen, ist nämlich der beste Kopf-Ausschalter.
2. Wir stellen fest: Kind Nummer Zwei ist ganz anders als Nummer Eins
Eigentlich ist es logisch, dass jedes Kind einen völlig eigenen Charakter hat. Dennoch neigen wir dazu, diesen Aspekt zumindest bis zur Geburt von Nummer Zwei zu verdrängen. Und sind dann perplex, wenn die bekannte Gebrauchsanweisung plötzlich nicht funktioniert. Vielleicht hörte das erste Baby sofort auf zu weinen, wenn der Fön lief, während das zweite dann erst richtig laut wird. Vielleicht wollte das erste Baby nur Kopf an Kopf im Bett einschlafen, während es dem zweiten am besten gefällt, eine gefühlte Stunde lang herumgetragen zu werden.
Gerade wenn wir das Elternsein mit einem besonders pflegeleichten, sofort acht Stunden durchschlafenden Kind sonnigen Gemüts begonnen haben, sind wir etwas verstrahlt. Wir gehen automatisch von einer identischen Fortsetzung der Geschichte aus. Nicht selten hat die Dramaturgie des Lebens jedoch ein ganz neues Setting parat: Womöglich die, dass unsere Gene sich beim zweiten Mal eine durchaus explosive Mischung mit deutlich mehr Geschrei und unruhigen Nächten überlegt haben.Oder genau umgekehrt.
Kein Kind ist wie das andere, deshalb müssen wir auch beim zweiten Mal in gewisser Weise wieder von vorne anfangen. Aber genau das ist ja das Spannende – dass wir mit Nummer Zwei eine neue einzigartige Hauptperson kennenlernen und dann gemeinsam ein weiteres Abenteuer erleben.
3. Wir haben keine Zeit für Überflüssiges
Was haben wir beim ersten Kind nicht alles gemacht. Jeden Milliliter Milch aufgeschrieben, täglich Babygymnastik absolviert, es frisch geschlüpft schon zum Schwimmen angemeldet und ihm ständig Spielzeug zur Frühförderung gekauft.
Bei Nummer Zwei wissen wir zum Glück, dass wir uns mindestens im ersten Jahr ein eigenes Kinderzimmer sparen können und dass Erfindungen wie ein Anwärmer für Feuchttücher oder ein Windeltwister überflüssige Staubfänger sind. Überambitionierte Programme wie Fremdsprachen in der Kita, das wissen wir jetzt (hoffentlich), braucht ebenfalls kein Mensch.
Die schöne Erkenntnis nach dem ersten Kind ist nämlich: Fantasie und Liebe schlagen Firlefanz um Längen. Es braucht überraschend wenig Equipment, um ein Kind glücklich großzuziehen. Ja, nicht einmal viel Spielzeug. Denn Kinder schaffen es selbst auf einer scheinbar langweiligen Wiese aus den Steinen am Rand ein magisches Schloss mit Zaubermauer zu bauen.
4. Der Alltag wird zur logistischen Meisterleistung
Hier kommt es etwas darauf an, wie groß der Abstand zwischen den Kindern ist. Ist Nummer Eins bei der Geburt von Nummer Zwei schon ca. sechs Jahre alt, ist alles halb so wild. Doch wenn die beiden – wie bei vielen Familien – nur zwei bis drei Jahre auseinander sind, werden Management-Qualitäten gefragt. Und zwar von den beiden anspruchsvollen Kunden, die rund um die Uhr All-inclusive-Service fordern: Das erste Kind braucht Hilfe beim Baden, das zweite beim Duschen, das eine kann sich noch gar nichts selbst anziehen, das andere zieht alles falsch herum an und verwandelt die Schnürsenkel in Fesseln.
Ganz davon abgesehen, dass vor jedem Ausflug mit der Familie nun Essen, Trinken, Windeln und Kleidung in zig Ausführungen organisiert werden müssen und der Kofferraum des Autos nur nach ausgiebigem Puzzeln schließbar ist. Die gute Nachricht bei so viel logistischen Dauerstress ist: Perfektion wird uns ziemlich schnuppe. Dann wird der Schnuller eben mal nicht abgekocht – Hauptsache, der Laden läuft.
5. Es gibt Eifersucht und Machtkämpfe zwischen den Geschwistern
Friede, Freude … – vergessen Sie‘s. Es ist schlicht nicht möglich, ein zweites Kind zu bekommen und dabei Eifersucht und Machtkämpfe außen vor zu halten. Es gibt immer Zeiten, in denen Nummer Eins gar nicht gut auf uns zu sprechen ist, weil er oder sie das neue Familienmitglied blöd und nervig findet. Genauso gibt es Zeiten, in denen Nummer Zwei es unerhört findet, dass das ältere Geschwisterkind zuerst da war und dann selbst bei Urlaubsfotos aus der Zeit vor seiner Geburt wütend zu schnauben beginnt.
Hier Liebe und Aufmerksamkeit so neu zu verteilen, dass alle zufrieden sind, ist nicht leicht. Vor allem, weil Eltern damit klarkommen müssen, dass ihre Kinder ziemlich ungerecht und übellaunig werden können, wenn sie wahrgenommen werden wollen. Dazu gehört dann mitunter, dass das als Einzelkind so ausgeglichene Kind plötzlich in der Vierer-Konstellation öfter an einen Tasmanischen Teufel erinnert.
Genauso kann es sein, dass das jüngere Kind 24/7 an uns klebt und das ältere Geschwisterkind sofort lautstark zu vertreiben versucht, wenn es gerade mit uns kuschelt. So müssen Eltern von zwei Kindern plötzlich Diplomatengeschick beweisen, um beiden Kindern Zeit alleine zu widmen, aber gleichzeitig den Teamgeist von beiden zu fördern. Ein Spagat, bei dem wir uns gerade anfangs steif fühlen. Allerdings gilt wie auf der Turnmatte: Mit der Übung kommt die Flexibilität. Wenn eine Familie wächst, muss sich der Raum für jedes Mitglied neu finden. Genau das machen beide Kinder – je besser wir sie dabei also unterstützen statt genervt über all den Stress zu stöhnen, desto besser funktioniert das Teambuilding für alle vier.
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6. Stress und Freude – vieles verdoppelt sich
Denn ja, natürlich macht es einen Unterschied, ob da ein oder zwei Kinder sind. Die Wäscheberge wachsen schneller, die Wohnung sieht doppelt so oft aus wie nach einem Tornado. Die Müdigkeit fühlt sich doppelt so bleiern an, der Stress wiederum sorgt dafür, dass sich die Länge unserer emotionalen Zündschnur bisweilen halbiert. Ebenfalls nicht zu unterschätzen: Die Zahl der kleinen und größeren Katastrophen steigt zumindest punktuell drastisch. Da ist man gerade aus der Ambulanz raus, nachdem das ältere Kind am Badesee in einen rostigen Draht getreten ist, schon hat das jüngere Geschwisterkind es geschafft, sich bei den ersten Gehversuchen eine üble Platzwunde an der Stirn zu holen.
Aber es verdoppeln sich natürlich auch schöne Dinge: das Lachen über all die unfassbar skurrilen Momente mit den Kindern, das Glücksgefühl an den guten Tagen, an denen es mit den beiden einfach läuft. Und immer, selbst am Rande des absoluten Quartett-Wahnsinns: die Liebe.
7. Blöde Ratschläge überhören wir einfach
Der Senf, den andere ungefragt dazugeben müssen, hat beim ersten Kind unendlich genervt. „Tu dies, lass das…“ – „Du musst öfter mit dem Kind an die frische Luft.“ – „Fang‘ bloß nicht damit an, es mit in eurem Bett schlafen zu lassen.“ – „Koch‘ den Brei auf jeden Fall selbst!“ Kein noch so intimes Szenario vom Stillen bis zum Sex, bei dem die Weisheiten der anderen sich aufhalten ließen. Wie oft haben wir damals zumindest innerlich die Augen gerollt und uns gewünscht, wir könnten mal ganz undiplomatisch antworten: „Klappe jetzt – das ist mein Kind.“
Wer fürchtet, dass das beim zweiten Mal nun wieder von vorne losgeht, kann sich entspannen. Es scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu sein, dass Verwandte und Freunde einem beim zweiten Kind mehr gute eigene Entscheidungen zutrauen. So als hätten wir eine Art Eltern-Führerschein bestanden.
Davon abgesehen schaffen es die wenigen ungefragt abgesetzten Ratschläge jetzt schlicht nicht mehr, uns auch nur im Ansatz zu verunsichern. Bzw. wir schlagen gleich unseren eigenen Weg ein, den wir beim ersten Mal erst suchen mussten, und bauen die Wickelkommode gar nicht erst auf oder lassen das Kind – unglaublich! – ohne Schlafsack unter unsere eigene Decke.
8. Wir sind bei vielen Dingen gelassener
Bei aller Liebe gibt es speziell beim ersten Kind Phasen, in denen wir als Eltern uns wie in einer Endlosschleife gefangen glauben. Dann fühlt es sich so an, als müssten wir für immer nachts alle drei Stunden aufstehen, weil das Baby Hunger hat. Dann vergessen wir, dass ein Milchgebiss doch nur 20 Zähne hat und das Kind nicht für immer Schmerzen bei jedem Zahndurchbruch haben kann. Oder wir haben an manchen Tagen wenig Hoffnung, dass die vielen irrationalen Wutausbrüche – manchmal nur, weil bei Tisch die Gabel auf der falschen Seite lag – je wieder aufhören.
Wenn wir zum zweiten Mal Eltern werden, ist es so, als würden wir eine Art Zeitsprung machen. Einfach noch mal die zwei, drei oder mehr Jahre zurück auf Anfang. Das fühlt sich erst surreal an, zumal wir feststellen, dass selbst tausendfach erprobte Griffe wie das Anziehen oder das Wickeln am Anfang gar nicht mehr so sicher sitzen wie wir dachten.
Doch dann, wenn wir wieder im Rhythmus sind, ist doch alles ein wenig anders. Auf der einen Seite das kleine Kind, mit dem wir alles noch vor uns haben. Auf der anderen Seite das größere Kind, mit dem wir bereits die Gewissheit erlangt haben, dass selbst die kräfteraubendsten Dinge am Elternsein vorbeigehen. Wir wissen jetzt womöglich schon, dass der Tag, an dem volle Windeln nicht mehr unseren Takt bestimmen werden, tatsächlich kommt. Wir sind gewappnet, dass es Kämpfe um jeden Breilöffel geben kann und Dinge wie Entwicklungsstottern sich genauso schnell wieder legen können wie sie gekommen sind. Ganz davon abgesehen, dass wir meistens bereits erleichtert festgestellt haben, dass das ältere Kind abends einfach umfallen und zehn Stunden ohne einen Mucks durchschlafen kann. Was die Anstrengungen in dem Moment, in dem wir sie erleben, zwar nicht wegzaubert. Doch es macht sie sehr viel kalkulierbarer.
Gratis dazu gibt es übrigens das Bewusstsein, dass sich später im Rückblick jede Entwicklungsphase unseres Kind doch nur wie ein Wimpernschlag anfühlen wird – und wir sie deshalb so gut es geht auskosten sollten. Besonders an den schönen, aber ebenso an den weniger guten Tagen.
9. Wir können uns vom Spielen erholen
Kinder können gnadenlos sein, wenn sie uns stundenlang zum Zombie schminken, im Sand einbuddeln und am Ende jeder Partie Uno ihr Lieblingswort zücken: „Nochmal!“ Denn so gern wir als Eltern auch mit ihnen zusammen spielen – wir sind immer schon erschöpft, wenn das Kind sich gerade erst warmgelaufen hat.
Nummer Zwei bringt hier die Erlösung. Vielleicht noch nicht gleich am Anfang, wenn Nummer Eins das Baby, das noch nichts kann, eher unspannend findet. Aber es kommt definitiv der Tag, an dem die beiden zusammen einen Tunnel im Sandkasten graben oder einen Legoturm bauen werden. Einfach so, ohne dass einer von beiden irgendwas von uns will. Na gut, zumindest, bis es die erste Kabbelei um den Bagger gibt. Aber das ist erst der Anfang der wunderbaren Zeit, in der wir als Eltern nur noch mitspielen müssen, wenn wir wirklich wollen. Falls wir dann noch dürfen. Denn irgendwann werden die beiden sogar die Tür zumachen und uns sagen, dass wir sie erst beim Abendessen wieder stören sollen.
10. Wir zelebrieren weniger
Ob der fast tägliche Eintrag, was wir unternommen haben und das Kind schon kann oder ein Geschenk zu jedem Monatsgeburtstag – so intensiv feiern Eltern meistens nur ihr erstes Kind. Was nicht daran liegt, dass wir das zweite weniger lieben oder uns weniger über seine Entwicklung freuen würden. Es bleibt schlicht nicht mehr so viel Zeit. Was uns mitunter etwas nostalgisch stimmen wird und sogar ein schlechtes Gewissen macht: Ist es nicht ungerecht, den ersten Zahn von Kind Nummer Zwei nicht mehr mit einem Kuchen zu krönen? Oder seine Routine-Untersuchungen beim Kinderarzt öfter dem anderen Elternteil zu überlassen, während wir uns bei Nummer Eins dafür sogar früher bei der Arbeit abgeseilt haben?
Die Antwort ist: Nein. Es ist normal und völlig okay, bei Nummer Zwei routinierter und effizienter durch den Alltag zu gehen. Und kein zweites Kind wird weniger geliebt, weil es von ihm statt 1283 Fotos im Monat nur 68 gibt. Das zweite Kind ist hier eher der besondere Mensch, der uns beim Elternsein cooler und weniger überdreht macht. Was übrigens nicht nur sympathischer ist, als sein Kind wie einen Popstar zu feiern – es tut darüber hinaus dem Zweitgeborenen letztlich gut. Denn es wird anders als das Erstgeborene viel weniger wie ein rohes Ei behandelt. Dieses Normalmaß ist ein Gewinn für Kinder.
Bilder: Gettyimages